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Neue Westfälische (Bielefeld): KOMMENTAR Flutkatastrophe Solidargemeinschaft gefragt CARSTEN HEIL

Bielefeld (ots)

Schon wieder! In diesen Tagen lernen die Deutschen endgültig, dass sich ein sogenanntes Jahrhundertereignis nicht nur alle hundert, sondern im Abstand weniger Jahre ereignet. 1997 war es die Oderflut, die die Menschen in Angst und Schrecken versetzte, 2002 nahmen Überschwemmungen der Elbe und ihrer Zuflüsse den Menschen Hab und Gut und Leben. Jetzt ist es die Donau mit ihren Nebenflüssen und erneut die Elbe. Davor kann niemand mehr die Augen verschließen. Zu bewältigen sind diese Ereignisse nur von der Solidargesellschaft, zu der der Staat zwar zählt, aber nicht allein. Zum Glück ist seit 2002 viel passiert. Milliarden flossen in den Hochwasserschutz, auch Renaturierungsprojekte kamen voran. In Tschechien wurde eine 60 Quadratkilometer große Überflutungsfläche geschaffen. Ohne eine vorschnelle Bilanz ziehen zu können, scheint es, dass die Folgen diesmal nicht ganz so katastrophal werden. Das ist für die betroffenen Flutopfer kein Trost, zeigt aber, dass die Behörden auf dem richtigen Weg sind. Nur zu langsam. Seit der jüngsten Überschwemmung 2002 wurden allein in Sachsen 350 Projekte geplant. 80 davon sind fertig, 55 befinden sich im Bau. Oft sind es Proteste von Bürgern, die eine schnellere Abwicklung der Projekte verhindern. Kaum ist das Wasser abgeflossen, erinnert sich niemand mehr an Hochwasserschutz. Eine andere Einstellung ist auch Kennzeichen von Solidarität. Der Schutz ist es übrigens nicht allein, der die Katastrophe verhindern könnte. Immer höhere Deiche und Mauern reichen nicht. Deshalb ist der fast ideologische Streit zwischen Bauindustrie und Naturschützern darüber, was zu tun ist, überflüssig. Jedenfalls für das Ziel, die Menschen und ihren Besitz zu schützen. Renaturierung und bessere Bauwerke müssen aufeinander abgestimmt sein. Die Solidargemeinschaft, die aktuell auf den Deichen wieder zusammensteht, muss auch im normalen Alltag zusammenhalten. Ichlinge unter den Flussanrainern und Beteiligten müssen auf eigene Interessen verzichten, auch wenn das Wasser wieder abgezogen ist. Nach der Wende gab es ein Gesetz, das den Ausbau der Infrastruktur beschleunigte. Die Planverfahren wurden deutlich abgekürzt. Das sollte auch für den Hochwasserschutz überlegt werden. In jedem Fall ist es besser, die Milliarden in den Schutz zu investieren, als alle paar Jahre die Flutopfer mit Riesensummen zu unterstützen. Schutz kann Leid verhindern. Überflutungen gab es schon immer, 1784 waren sie an der Elbe so extrem, dass der Fluss für immer seinen Lauf veränderte. Ein Zurück zur Natur kann es nicht geben und wird vor diesem Hintergrund auch nichts helfen. Solche Ereignisse gehören zur Natur. Völlig unsolidarisch ist, wenn skrupellose Geschäftemacher den Preis für leere Sandsäcke auf 1,20 Euro vervierfachen. Auch dass ausgerechnet jene Eigentümer ihren Besitz nicht gegen Flutschäden versichern können, die in gefährdeten Gebieten leben, ist sonderbar. Da gehört auch die Versicherungswirtschaft anders in die Pflicht.

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