Neue Westfälische (Bielefeld): Kommentar Nordrhein-Westfalen vor den Kommunalwahlen Balanceakt FLORIAN PFITZNER, DÜSSELDORF
Bielefeld (ots)
Nordrhein-West-falen steht vor einem Jahr mit Entscheidungen: Am 25. Mai wird nicht nur das Europaparlament, sondern es wird auch in allen Kommunen gewählt. Die Zeiten, in denen der Termin allein Lokalpolitiker umtrieb, sind längst vorbei. Obwohl die Angelegenheiten rund um den Marktplatz stets auf hohes Interesse bei den Menschen stießen, galt die kommunale Ebene über Jahrzehnte als eher unpolitisch. Entschlüsse in Städten und Gemeinden richteten sich weithin nach dem jeweiligen Einzelfall und dem überschaubaren sozialen Raum, abseits der üblichen parteipolitischen Fronten. Bis tief in die 70er Jahre hinein herrschte die Ansicht, Parteien sollten sich aus der Gemeindepolitik heraushalten. Das ist heute anders. Wenngleich der Einfluss im ländlichen Raum auf Grenzen stößt, haben politische Parteien ein Monopol der Kandidatenpräsentation erreicht. Inwiefern Kommunalwahlen die politische Großwetterlage aufzuspalten vermögen, war in NRW 1999 zu sehen. Für die SPD hagelte es ausgerechnet in ihrem Kernland herbe Niederlagen. So erreichte die CDU einen Landesdurchschnitt von 50,3 Prozent, als die Genossen Hochburgen wie Köln oder Gelsenkirchen abtreten mussten. Gewiss wirken nach wie vor unterschiedliche lokale Probleme auf die Wahlentscheidungen ein. Doch eben auch die Politik der einzelnen Parteien in den Landesparlamenten. In NRW kommt es somit auch darauf an, ob und wie Ministerpräsidentin Hannelore Kraft (SPD) nach ihrem vermeintlich unumstößlichen Heimatbekenntnis die Großbaustellen vor ihrer Haustür schließt. Für ihre rot-grüne Landesregierung besteht dabei vor allem ein markantes Risiko: dass der Verfassungsgerichtshof den erst jüngst im Landtag verabschiedeten Kommunal-Soli kippt. Während Staatsschulden häufig abstrakt erscheinen, ist auf kommunaler Ebene jedes Finanzloch sichtbar. Mithin sollen 59 finanzstarke Kommunen fortan jährlich eine sogenannte Solidaritätsumlage von insgesamt 91 Millionen Euro für klamme Städte und Gemeinden zahlen. Derweil bereiten 49 Kommunen unter Federführung der Stadt Düsseldorf eine Gemeinschaftsklage gegen das Ende November verabschiedete Gesetz vor. Hauptzahler Monheim will zusätzlich eine Einzelklage einreichen. Während der Landeshaushalt in diesem Jahr mit einem Volumen von 62,3 Millionen Euro ein neues Rekordniveau erreicht, ist NRW zudem angehalten, seinen Sparkurs zu verschärfen. Mit 14.699 Euro Schulden pro Einwohner hatten Land und Kommunen zuletzt die zweithöchste Pro-Kopf-Verschuldung aller Flächenländer. Wer sich den desolaten Etat vor Augen führt, fragt sich automatisch, wie Rot-Grün in Zukunft seine vorbeugende Politik finanzieren möchte. Setzt NRW mehr als hundert Millionen Euro effektiv ein, um die Qualität in den Kindergärten zu erhöhen? Gelingt die Inklusion an den Schulen? Im Mai entscheiden die Menschen in NRW auch über die Politik in Düsseldorf - und damit über die Balance zwischen sozialer Prävention und soliden Finanzen.
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