Neue Westfälische (Bielefeld): Kommentar SPD-Sonderparteitag Keine Zeit zum Abheben ALEXANDRA JACOBSON, BERLIN
Bielefeld (ots)
Die SPD ist rund vier Monate nach der Bundestagswahl nicht wiederzuerkennen. Die Depression über das schlechte Wahlergebnis hat sie abgeschüttelt. Parteichef Sigmar Gabriel strotzt vor Selbstbewusstsein, nennt die SPD gar den "Motor" in der schwarz-roten Regierung und liegt mit dieser kühnen Einschätzung nicht einmal falsch. Den Takt dieser Regierung gibt zweifellos die SPD vor, von der CDU ist momentan nur wenig Wegweisendes zu hören. Gabriel ist so unumstritten in der SPD wie schon lange kein Vorsitzender mehr. Auch seine Personalwünsche, Ralf Stegner als Parteivizechef, Yasmin Fahimi als Generalsekretärin und Dietmar Nietan als Schatzmeister, gehen folglich reibungslos durch. Doch die SPD sollte nicht zu früh abheben: Noch kein Gesetz steht im Gesetzblatt. Bei der Rente gibt es mehr Gegenwind als erwartet. Bei der Energiewende kommt der hartnäckigste Widerspruch aus den eigenen Reihen. Die SPD muss den Beweis erst noch antreten, dass sie im Bund eine leidenschaftliche Regierungspartei ist, die komplizierte Projekte nicht nur auf den Schild hebt, sondern auch in die Praxis überführt. Auch bei Europa ist Skepsis angebracht. Bei der letzten Europawahl hat die SPD magere 20,8 Prozent eingefahren. Hier allerdings gibt es eine reelle Chance auf Verbesserung, nicht nur, weil Spitzenkandidat Martin Schulz der mit Abstand beliebteste Politiker innerhalb der SPD ist. Mit ihm verbindet sich erstmals seit über 50 Jahren die Möglichkeit, dass ein Deutscher wieder EU-Kommissionspräsident wird. Stellt die SPD diese Gelegenheit richtig heraus und versteht sie es, die Wahlen zum Europaparlament mit den zahlreichen Kommunalwahlen zu verknüpfen, die ebenfalls am 25. Mai stattfinden, müssten mehr als 20 Prozent drin sein. Aber sicher ist das nicht. Die Begeisterung der Bürger für das europäische Parlament hält sich traditionell in Grenzen. Und die Populisten von rechts und links, die AfD und die Linkspartei, wettern unisono gegen die EU.
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