Neue Westfälische (Bielefeld): Kommentar: Sicherheitskonferenz Unruhige Zeiten Ralf Müller, München
Bielefeld (ots)
Wie erwartet ist die Welt im 50. Jahr der Münchner Sicherheitskonferenz nicht sicherer, geschweige denn friedlicher geworden. Einige Schauplätze haben sich beruhigt, neue Konflikte sind aufgeflammt und etliche erweisen sich buchstäblich als Dauerbrenner und ständige Quelle von humanitären Katastrophen und Terrorismus. Es wird wohl auch hartnäckigen Optimisten schwerfallen, Fortschritte zu erkennen. In München versammelte sich wieder einmal das, was sich "Weltgemeinschaft" nennt, lud auch einige der Zündler und Missetäter und diskutierte, ob sie aus den Millionen Toten der sogenannten Nachkriegszeit etwas gelernt hat. Wenn dem so ist, dann reicht es jedenfalls nicht aus, denn sonst wäre das, was sich seit drei Jahren in Syrien abspielt, so nicht möglich. Der syrische Bürgerkrieg ist der größte Stachel im Fleisch der gelegentlich zur Selbstzufriedenheit neigenden Weltgemeinschaft. Vor der Haustür Europas spielt sich eine humanitäre Katastrophe ab, die noch dazu das Potenzial hat, die ganze Region in Brand zu setzen. Chemiewaffen werden schleppend abtransportiert, während das Regime in Bagdad Fassbomben auf seine Bevölkerung wirft. Aus dem Irak haben sich die USA zurückgezogen und ein desolates Land hinterlassen. In Afghanistan dürfte es nicht viel anders sein. Im Nahost-Grundkonflikt zwischen Israel und den Palästinensern ist kein Fortschritt erkennbar. Erstaunlicherweise nähern sich die Interessen von Israelis und Saudis aneinander an, die beide die vorsichtige Hinwendung der USA zum Iran mit äußerster Besorgnis sehen. Der Iran bot gleichzeitig einen kleinen Lichtblick, zunächst eher atmosphärisch. Der neue Außenminister Mohammed Javad Zarif lieferte neue, aufgeklärte Töne, die zum ersten Mal als echte Diskussionsbeiträge gelten konnten. Mehr aber auch nicht. In Europa bahnt sich zwar eine Befriedung des Kosovo-Konflikts an, auf der anderen Seite wächst die Gefahr eines Bürgerkriegs in der Ukraine, welcher die EU wie Russland vor größte Probleme stellen würde. Geradezu flehentlich wurde die Noch-Regierung in Kiew daher aus München beschworen, das Militär in den Kasernen zu lassen. Der Kalte Krieg ist zwar zu Ende, zu einer warmen Kooperation zwischen den USA und Russland ist es aber nicht gekommen. Das gegenseitige Misstrauen, das auf der Münchner Konferenz zum Ausdruck gebracht wurde, ist eher gewachsen und gipfelte in der Mutmaßung eines konservativen US-Kongressabgeordneten, hinter der NSA-Affäre stecke der Kreml, der damit das angestrebte Freihandelsabkommen torpedieren wolle. Man muss nicht gleich einen Vergleich der Situation mit dem Jahr 1914, dem Vorabend des Ersten Weltkriegs, ziehen, aber die Zeiten sind enorm unruhig. Die Zahl der autoritären, zur Gewalt neigenden Regimes hat nicht abgenommen, die USA haben sich im Irak und in Afghanistan mehr oder weniger stark die Finger verbrannt, und die Europäer tun das, was sie am besten können: sich mit sich selbst beschäftigen. Keine schöne Zustandsbeschreibung im 50. Jahr der Münchner Sicherheitskonferenz.
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