Neue Westfälische (Bielefeld): KOMMENTAR Alice Schwarzer und andere Gefallene Idole ALEXANDRA JACOBSON, BERLIN
Bielefeld (ots)
Jeder Mensch macht Fehler. Das ist eine Binsenwahrheit. Doch Menschen, die ihr Auftreten in der Öffentlichkeit mit einem rigorosen moralischen Anspruch verbinden und in ihrer Selbstbeweihräucherung nicht einmal davor zurückschrecken, sich ungefragt selbst in eine Reihe mit Mutter Teresa, Sophie Scholl und Rosa Luxemburg zu stellen, wie es Alice Schwarzer kürzlich tat, die dürfen keinen besonderen Bonus verlangen, wenn auch ihre Fehltritte Gegenstand öffentlicher Diskussionen werden. Alice Schwarzer hat zweifellos viel für die Frauenrechte in diesem Land getan. Ihr Bundesverdienstkreuz mag sie behalten. Das ändert aber nichts daran, dass sie mehr als einen lässlichen Fehler begangen hat. Zu einer Zeit, als sie selbst öffentliche Fördermittel für feministische Projekte bezog und diese Steuermittel auch lautstark einforderte, hat sie selbst mit Hilfe eines Kontos in der Schweiz Steuern hinterzogen. Das kann man dreist oder auch unverfroren nennen, wie auch immer, es ist abstoßend. Aus diesem moralischen Dilemma befreit Schwarzer niemand mehr. Auch ihre Medienschelte bewahrt sie nicht davor, dass sie ihren Status als moralische Instanz verloren hat. Alice Schwarzer steht ja nicht alleine in einer Reihe von Menschen, die auf unterschiedliche Art als Vorbilder gegolten haben. Auch der Berliner Kulturstaatssekretär André Schmitz ist ein Steuersünder, genauso wie Uli Hoeneß oder der Zeit-Autor und -Herausgeber Theo Sommer. Es ist unverständlich, wieso gerade Angehörige von Eliten so tun, als wären die Gesetze dieses Staates für sie nicht gemacht. Als handele es sich bei Steuern um eine Art Spende, die man gewähren darf oder nicht. Als wäre es völlig egal, ob dieser Staat genug Geld für Schulen, Kindergärten und Straßen hat. Oder nicht. Keiner der Personen, die jetzt als Steuersünder Schlagzeilen machen, wären in persönliche Not gekommen, hätten sie wie die allermeisten Bürger ordentlich ihre Steuern bezahlt. Was sind die Lehren, die die Politik daraus ziehen muss? Um die Versuchungen einzudämmen, ist es wichtig, die Steueroasen auszutrocknen. Aber es bedarf auch einer gesellschaftlichen Debatte über die Verantwortung von Eliten. ⋌alexandra.jacobson@ ⋌ihr-kommentar.de ⋌Titelseite
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