Neue Westfälische (Bielefeld): Kommentar: Sebastian Edathy attackiert die Staatsanwaltschaft Ohne Reue HUBERTUS GÄRTNER
Bielefeld (ots)
Der Fall Edathy hat viele politische und juristische Im-plikationen. Auch moralische Erwägungen sind dringend not-wendig. Sie kamen bislang leider zu kurz. Auch Sebastian Edathy nimmt sie nicht vor. Womöglich denkt er gar nicht mehr in moralischen Kategorien. Andernfalls wäre wohl eine längst fällige Entschuldigung bei namenlosen Kindern über seine Lippen gekommen. Wenn nicht alles täuscht, dann sieht sich der SPD-Politiker, der einst als großer Aufklärer im NSU-Untersuchungsausschuss gefeiert wurde, in Sachen Kinderpornografie nun sogar als Sündenbock. Zunächst beklagte sich Edathy, er habe am Telefon üble Beschimpfungen und sogar Morddrohungen erhalten. Nun startet er einen forschen Gegenangriff und beschimpft über seinen Anwalt die Staatsanwaltschaft, sie habe in seinem Fall "jedes Maß verloren" und die Unschuldsvermutung missachtet. Edathy fordert nichts weniger als die Ablösung der Ermittler. Das schlägt nun wirklich dem Fass den Boden aus. Zwar ist die Staatsanwaltschaft in Hannover offenkundig einen Schritt zu weit gegangen, als sie sich in ihrem Ärger über zerstörte Festplatten und die Beseitigung von Beweismitteln dazu hinreißen ließ, auf einer Pressekonferenz Details zu den Vorwürfen preiszugeben. Aber sie hat durchaus richtig gehandelt, als sie nach langem, vielleicht sogar zu langem Zögern einen Anfangsverdacht bejahte und mit einem Durchsuchungsbeschluss, den zuvor übrigens ein Richter erlassen hatte, Edathys Büros und Wohnungen durchsuchen ließ. Edathy wurde nicht anders behandelt als zuvor Tausende andere Personen, die sich durch den Erwerb und Besitz von Nacktfotos fremder Kinder verdächtig gemacht hatten - und auf deren Rechner Polizisten und Staatsanwälte später bei Razzien regelmäßig "harte" Kinderpornografie entdeckten. Edathy sollte sich daher nicht beschweren. Er sollte Reue zeigen. Dann könnte man mit ihm vielleicht eines Tages sogar ein wenig Mitleid haben.
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