Neue Westfälische (Bielefeld): Pflegenotstand Traurig, aber wahr CARSTEN HEIL
Bielefeld (ots)
Plötzlich war da nur noch eine Pflegekraft. Eigentlich kümmerten sich immer zwei gut ausgebildete Frauen um die Bewohner der Demenzstation. Doch ein schlichter Krankheitsfall beim Personal sorgte dafür, dass die Betreuung für mehrere Tage drastisch ausgedünnt wurde, die Bedürftigen stärker sich selbst überlassen. Plötzlich brach der pflegende Angehörige selbst zusammen. Er konnte nicht mehr. Seit Jahren kümmerte er sich aufopferungsvoll um die bedürftige Ehefrau, bis zu 18 Stunden am Tag und immer auf dem Sprung, denn jederzeit konnte etwas passieren. Seine Nerven wurden immer reizbarer, nun war Schluss, und eiligst musste ein Pflegeplatz im Heim her. Fälle aus dem Pflegealltag in Deutschland. Diese Beispiele werden zunehmen, das zeigen alle Statistiken. Vor allem die Pflege von Demenzkranken wird eine große Herausforderung werden. Aber mit Pflege ist kein Geld zu verdienen. Jedenfalls nicht mit qualitativ hochwertiger Pflege, die den Patienten seelisch und körperlich gerecht wird. Im Gegenteil, sie ist teurer, als es jede Pflegeversicherung bezahlen kann. Deshalb tut sich wenig, die Bundesregierung sitzt notwendige Reformen seit Jahren aus. Mit der Folge, dass die Schere zwischen Bedarf an Pflegekräften und fertig ausgebildeten immer weiter aufgeht. Pflege muss u. a. besser bezahlt und als hervorragende Leistung anerkannt werden, damit das Land überhaupt ausreichende Kräfte gewinnen kann. Die bessere Vereinbarkeit von Beruf und Pflege ist eine Unsinns-Forderung. Je nach Art der Erkrankung ist die Pflege eines Angehörigen ein Vollzeit-Job, ein Knochen-Job, den niemand so nebenbei machen kann in drei Stunden am Tag oder mal für vier Monate. Was kommt danach? Privat Pflegende müssen anders entlastet werden. Doch die Gesellschaft ist nicht mal in der Lage, den aufopferungsvoll kämpfenden pflegenden Angehörigen die entsprechende Anerkennung entgegenzubringen. Traurig.
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