Neue Westfälische (Bielefeld): Amok-Fahrt in Schweden - US-Raketenangriffe in Syrien Vernunft einschalten Thomas Seim
Bielefeld (ots)
An Tagen wie gestern scheint die Welt aus den Fugen. Noch haben wir diese Bilder von Kindern, Frauen und Männern, die dem Giftgas in Syrien zum Opfer fielen, nicht vollständig verarbeitet, da sehen wir US-Raketen auf syrischem Boden einschlagen. Und während die Beobachter noch die Folgen analysieren und eine Eskalation des Krieges in Nahost abzuschätzen versuchen, sterben wieder Menschen durch einen terroristischen oder verrückten, jedenfalls kriminellen Lkw-Fahrer auf dem Einkaufsboulevard in Stockholm. Von den Kriegsverbrechen in Syrien wendet man sich angewidert ab. Gleichzeitig spürt man Wut und Empörung aufsteigen, die dazu drängen, die Vernunft abzuschalten und Vergeltungsschläge gegen mutmaßliche Verantwortliche zu akzeptieren oder zu rechtfertigen oder gar zu begrüßen. Die New York Times etwa - jene an sich vernünftige Zeitung, von der US-Präsident Trump als Nachrichtenfälscherin spricht und die wiederum diesen Staatschef am härtesten attackiert - lobte den Raketenangriff. Der TV-Sender CNN nannte Trump einen "Macher". Die seriöse Washington Post sieht für ihn die Chance, Obamas Versäumnisse nachzuholen, der von Giftgasangriffen als roter Linie sprach, aber ein Eingreifen gegen Syriens Präsidenten Assad verwarf. Und nun? Was ist besser? Ist die Welt sicherer geworden? Nichts davon! Im Gegenteil muss man befürchten, dass Trump über Krieg und Frieden nach den gleichen unangemessenen Wertmaßstäben entscheidet, die er beim Bau der Mauer nach Mexiko, dem Einreiseverbot für Muslime oder der Forderung nach mehr Rüstung in Europa benutzt: Er ist ein Sponti. Nichts ist für den Frieden in Syrien erreicht, nichts für die leidende Bevölkerung. Vor allem aber: Nichts ist sicherer geworden. Daran erinnert wenige Tage nach dem Giftgas-Verbrechen, wenige Stunden nach den US-Angriffen die Amok-Fahrt von Schweden. Das ist die Sorge, die uns umtreibt, umtreiben muss: Der Eskalation der Gewalt wirkt keine Kraft der Vernunft, der kühlen Analyse, der klärenden Verhandlung mehr entgegen. Trump hat keine Strategie, er hat die Chance, den verbrecherischen Islamischen Staat zu besiegen, nicht vergrößert. Er hat nicht mal seine Position gegenüber Wladimir Putin verbessert, der sich bei den Verstößen gegen das Völkerrecht - z.B. auf der Krim - auf ein ähnliches Rechtsverständnis berufen könnte. Auch der Kommentator der New York Times räumt übrigens letztlich ein, dass durch Raketenschläge nichts bewirkt wird. Man muss hoffen, dass die EU - wer sonst? - die bestimmende Kraft der Politik bleibt und ihre Stärke ausreicht, hier wie dort die Vernunft wieder einzuschalten. Um des Friedens willen. In Syrien. In Stockholm. In Europa.
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