Neue Westfälische (Bielefeld): Kommentar Verhandlungen über den Brexit Unnötiger Regelverstoß Knut Pries, Brüssel
Bielefeld (ots)
Es kracht, es zischt, es riecht nach Dampf und Schwefel - sechs Wochen bevor es ernst wird, bietet das Schauspiel namens Brexit schon allerhand eindrucksvolle Theatereffekte. Wer die Hoffnung hegte, der erste Abschied eines EU-Staates könne eine harmonische Veranstaltung werden, war von vornherein schief gewickelt. Bekenntnisse zu Fairness und zum Großen, Ganzen sind Mittel zum Zweck. Hier geht es um Rechte und Interessen. Weil das so ist, muss man sich keine übertriebenen Sorgen machen ob des munteren Hin und Her, mit dem sich London und Brüssel als Repräsentant der EU27 in den letzten Tagen auf der Bühne und in den Kulissen beharkt haben. Das gehört zum Spiel. Was freilich noch nicht heißt, dass es gut gespielt wird. Da gibt es begründete Zweifel. Die EU ist dem abtrünnigen Albion einen Zug voraus. Die 27 Rest-Staaten haben sich verblüffend eng formiert und bieten mit dem französischen Gentleman-Schlitzohr Michel Barnier einen bestens sortierten Verhandlungsprokuristen auf. Eine vergleichbar solide Ausgangsposition muss die britische Premierministerin May sich erst schaffen, vor allem in Form eines Sieges bei den Unterhauswahlen. Die Kontinentalen haben gute Aussichten, sich mit ihren Vorstellungen über den Ablauf der Verhandlungen durchzusetzen: Zunächst reden wir über Scheidung, dann erst über künftige Partnerschaft. Ein strategisches Plus für die EU: Alles was an der Trennung schwierig und schmerzvoll ist, die ganze Unvernunft des Brexit-Abenteuers, wird in geballter Form sichtbar - zu Lasten des Verursachers Großbritannien. In dieser Situation hätte die EU es nicht nötig, den Londoner Kontrahenten durch Winkelzüge und Durchstechereien als wirklichkeitsfremd und inkompetent vorzuführen. Das ist ein überflüssiger Regelverstoß. Er wird nicht helfen, die hoch gesteckten Ziele - volle Kostenerstattung und Rechtsschutz für Bürger und Unternehmen - zu erreichen. Es bleiben Maximalforderungen, denen auch ein Londoner Brexit-Team auf der Höhe der Problematik kaum zustimmen kann.
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