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Neue Westfälische (Bielefeld): Macrons EU-Reformpläne Waghalsig Dirk Müller

Bielefeld (ots)

Ein begeisterter Europäer. Wo gibt es das heute noch? Was Frankreichs junger Präsident Emmanuel Macron gestern im hochwürdigen universitären Rahmen an der Pariser Sorbonne als seine Vision eines starken, einigen und demokratischen Staatenbundes entwarf, ist früher schon geträumt worden. An Entwürfen hat es Europa nie gemangelt. Gemangelt hat es stets an Stärke, Einigkeit und Demokratie. Angesichts der bestürzenden europäischen Realität erscheinen Macrons Reformvorstellungen eher waghalsig. Nehmen wir etwa die Weigerung osteuropäischer Partnerländer, die Anerkennung eines Urteils des Europäischen Gerichtshofes zur solidarischen Verteilung von Flüchtlingen auch nur zu erwägen. Wer kann sich außer dem Überraschungssieger der französischen Wahlen im Mai dieses Jahres eine gemeinschaftsweite Akzeptanz einer Europäischen Asylbehörde vorstellen, eines Eurozonen-Budgets samt neuem Eurozonen-Parlament? Realität sind Stagnation der europäischen Harmonisierung und Integration; Realität ist wachsende Euro- und Europaskepsis, die sich nicht zuletzt in vielen Partnerländern im Wahlerfolg von Europagegnern und Rechtspopulisten niedergeschlagen hat. Und dennoch: Soll man es dabei belassen? Macron meint, Nein! Und fordert, dem Stillstand, den Rückschritten auf dem gemeinsamen Weg mit Mut zu begegnen. Dem Mut der Verzweiflung? Macrons Stern ist im Ansehen der Franzosen seit Beginn seiner Amtszeit schon arg gesunken, Frankreich kämpft mit wirtschaftlichen Schwierigkeiten und Arbeitslosigkeit. Dass sich der Präsident jetzt mit solcher Verve auf die "Neugründung Europas" stürzt, soll Frankreich auch zu neuer Bedeutung auf dem Kontinent verhelfen. Das geht nicht ohne die deutschen Nachbarn. Ganz bewusst taktet Macron seine Rede in die Zeit zwischen Bundestagswahl und Regierungsbildung; seine Gedanken sollen in dieser Phase in Berlin eine Rolle spielen. Wie weit Kanzlerin Angela Merkel seinen Weg mitgehen kann, muss sich angesichts ihrer Koalitionsnotwendigkeiten erst noch zeigen. Eines lässt für Macrons Pläne hoffen: Er setzt bei allem auf Transparenz und Beteiligung der europäischen Bürger, und dies bis hin zu öffentlichen Debatten zu allen Reformvorhaben in allen Partnerländern. Europa lässt sich ohne die Europäer nicht bauen.

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