Neue Westfälische (Bielefeld): Kartellamt prüft 50+1-Regel Fußball ohne Fans Jörg Rinne
Bielefeld (ots)
Es war der Höhepunkt der Woche. Als Kind saß ich jeden Samstag um 15.30 Uhr voller Vorfreude vor dem Radio, um die spannende Bundesliga-Konferenz zu verfolgen. Acht, ja manchmal sogar alle neun Spiele zur gleichen Zeit. Welch Fußball-Wonne! Warum ich jetzt in diesen Erinnerungen schwelge? Das Bundeskartellamt hat gerade die wohl letzte Runde im Streit um die sogenannte 50+1-Regel im deutschen Profifußball eingeläutet. Mit ihr wird der Einfluss von Investoren auf die Vereine derzeit noch eingedämmt. Aus Hannover kommt der Druck, diese Vorgabe zu lockern. Der Hörgeräte-Unternehmer Martin Kind will seine Macht bei den 96ern ausbauen. In Leverkusen, Wolfsburg und Hoffenheim, aber auch in Leipzig ist das schon längst Realität. Nun kann der Unternehmer Kind wahrlich für sich in Anspruch nehmen, kein an kurzfristiger Rendite interessierter Investor zu sein. Schon 20 Jahre steht er den Niedersachsen mit Rat, Tat und Geld zur Seite. Seine Absichten gelten trotzdem als Synonym für den totalen Ausverkauf von Fußballtraditionen. Der Blick nach Spanien, Italien, Frankreich und insbesondere England lässt die deutschen Fans erschauern. Ob Madrid, Turin, Paris oder London - Fußball ist dort längst zum Spielball potenter Geldgeber geworden, die mit dem Namen der jeweiligen Klubs Milliarden umsetzen. Das Geschäft boomt, doch zumindest in Deutschland gibt es erste Warnzeichen. In den vergangenen sieben Jahren verbuchten die Erstligisten stets eine Stadion-Auslastung von deutlich mehr als 90 Prozent. In dieser Hinrunde waren es 88,9 Prozent. Steigende Eintrittspreise, immer neue, oft arbeitnehmerunfreundliche Anstoßzeiten, der Zwang zu mehreren Pay-TV-Abos, ständig neue Wettbewerbe oder die ins Uferlose steigenden Ablösesummen schrecken offenbar ab. Die 36 Profiklubs nehmen dies zunehmend irritiert zur Kenntnis. Und deshalb bin ich sehr gespannt, wie sie sich nun auf die Anfrage des Kartellamtes verhalten werden. Zurück zu den Wurzeln ist sicher keine zeitgemäße Lösung. Fußball ohne Fans aber auch nicht.
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