Kanzlerin Merkel kippt "Osterruhe"
Bielefeld (ots)
Kanzlerin Merkel kippt "Osterruhe"¶
Notbremse in eigener Sache¶
Jörg Rinne¶
Die Kanzlerin zieht die Notbremse - diesmal in eigener Sache. Die nächtliche Entscheidung der Bund-Länder-Runde, in der Corona-Pandemie eine kurzfristige "Osterruhe" zu verfügen, hat zu einem Aufschrei im Land geführt und Angela Merkel nach wenigen Stunden erkennen lassen, dass sie einen Fehler gemacht hat. Es ehrt sie, diesen unumwunden zuzugeben und eine gerade noch rechtzeitige Kehrtwende zu vollziehen.
Dass ihr dabei die meisten der 16 Ministerpräsidentinnen und -präsidenten zur Seite stehen, ist wenig verwunderlich. Denn sie haben den Auslöser für das zwischenzeitliche Chaos abgenickt und dieses damit mitzuverantworten. Spätestens jetzt stellt sich die Frage nach der Sinnhaftigkeit dieser nächtlichen Zusammenkünfte, die schon allein aufgrund ihrer Terminierung eine rechtliche Rückversicherung bei den zuständigen Ministerien erschwert. Dass eine derart schwerwiegende Entscheidung rechtliche Fragen aufwerfen würde, hätte jedem Teilnehmer bewusst sein müssen.
Die erfahrene Kanzlerin weiß nur zu genau, in welch schwierigem politischen Fahrwasser sie sich aktuell bewegt. Dass Teile der Unionsfraktion von Merkels Corona-Politik abrücken, ist im Bundestagswahljahr sicher auch auf die jüngsten verheerenden Umfrageergebnisse zurückzuführen. Denn während Merkel nicht mehr zur Wahl steht, muss die Union ums Kanzleramt und einige ihrer Abgeordneten um bestehende Mandate fürchten. Da kann jetzt jeder kleine Fehler der Regierung dauerhafte Folgen haben.
Und diese Fehleinschätzung und -entscheidung wird noch auf einer ganz anderen Ebene Konsequenzen haben: Das eh schon erschütterte Vertrauen der Bürgerinnen und Bürger in eine verantwortungsvolle Corona-Politik von Bund und Ländern wird weiter abnehmen. Dabei ist die Lage angesichts deutlich steigender Infektionszahlen prekär. Der Kanzlerin, die noch einmal deutlich gemacht hat, dass sie die Entscheidungsgewalt hat und bis zum Herbst behalten will, muss sich jetzt bewegen und einen pragmatischeren Kurs einschlagen. Die überbordende Bürokratie, die Deutschland ganz offensichtlich in seiner Pandemiebewältigung behindert, muss einem zielführenden Pragamatismus weichen. Das gesamte Land immer wieder in einen Lockdown zu führen, ohne über machbare Alternativen intensiv nachzudenken, kann keine Lösung sein.
Die Kanzlerin hat die Richtlinienkompetenz für diese dringend nötigen Alternativen. Merkels Notbremse kann nur der erste Schritt sein.
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