Neue Westfälische: Leitartikel zu Klimaschutz/Energiepolitik
Bielefeld (ots)
Rot-Grün bangt um einen Meilenstein der gemeinsamen siebenjährigen Regierungspolitik, die gesetzlich vereinbarte Abschaltung aller Atomkraftwerke bis 2020. Nur murrend hat die CDU/CSU die Forderung ihres kleineren Koalitionspartners geschluckt, am Atomausstieg, dem Symbolthema rot-grünen Regierens, müsse festgehalten werden. Vor dem Hintergrund der immer bedrohlicher werdenden Szenarien für einen globalen Klimawandel werden jetzt die Stimmen lauter, die es für kontraproduktiv halten, in dieser Situation die ersten Atomkraftwerke abzuschalten. Während die auf die Oppositionsbänke verbannten Grünen den Ausstieg mit Klauen und Zähnen verteidigen, tut sich die mitregierende SPD erheblich schwerer zu erklären, warum sie die Atomkraft unverändert für Teufelswerk hält. Rund ein Drittel der deutschen Stromproduktion kommt aus Kernkraftwerken. Trotz aller Bemühungen um effizientere Energienutzung, trotz des verstärkten Einsatzes regenerativer Energien ist nicht abzusehen, wie diese Strommenge aus anderen Quellen erzeugt werden soll. Dass die Kernspaltung zu friedlichen Zwecken ein erheblich höheres Gefahrenpotential birgt als Energieerzeugung aus Öl, Kohle, Gas, Biomasse, Wind oder Sonne, ist unbestritten. Aber zur Ehrlichkeit gehört auch, dass es in deutschen Reaktoren bislang zu keinen größeren Zwischenfällen gekommen ist, dass die Sicherheitsvorkehrungen gegen atomare Unfälle gegriffen haben. Das legt die Vermutung nahe, dass es auch verantwortbar ist, unter nach wie vor strengen Schutzmaßnahmen die Reaktoren länger zu betreiben als das Ausstiegsgesetz vorsieht. Ähnliches gilt für die ungelöste Frage der Endlagerung des hochradioaktiven Mülls, dem zweiten zentralen Argument gegen die Kernenergie. Der Salzstock im niedersächsischen Gorleben ist als Standort eines Endlagers bislang vor allem aus politischen Gründen verhindert worden, von einem Bundeskanzler und zwei Bundesumweltministern, die allesamt aus Niedersachsen kommen und sich in der Heimat den mit einer endgültigen Entscheidung verbundenen Ärger ersparen wollen. Die Endlagerfrage muss in jedem Fall gelöst werden. Da kommt es nicht darauf an, wann die ersten Meiler vom Netz genommen werden. Niemand glaubt, dass in überschaubarer Zeit neue Kernkraftwerke in Deutschland gebaut werden, aus Kosten und Sicherheitsgründen In einer ehrlichen Diskussion über den bevorstehenden Atomausstieg müssen auch die Risiken offen benannt werden, die mit anderen Energieträgern verbunden sind. Das Verbrennen von Kohle, Öl und Gas zu forcieren, verbietet sich aus Gründen des Klimaschutzes. Wind, Sonne und Biomasse werden auf absehbare Zeit nicht die Strommengen liefern, die Industrie, Betriebe und private Haushalte brauchen. Neue Technologien, ob Brennstoffzellen, ob Kernfusion, sind noch Zukunftsmusik. Kernkraftwerke liefern seit Jahren zuverlässig Strom. Wer diese Quelle mit dem bloßen Hinweis auf den rot-grünen Ausstiegsbeschluss schließen will, ohne sagen zu können, was an die Stelle des Atomstroms tritt, handelt unverantwortlich.
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