Alle Storys
Folgen
Keine Story von NDR Norddeutscher Rundfunk mehr verpassen.

NDR Norddeutscher Rundfunk

"Panorama": "Krasse Gerechtigkeitslücke" - CDU- und FDP-Finanzpolitiker kritisieren Straffreiheit bei Selbstanzeigen

Hamburg (ots)

Vertreter von CDU und FDP im Finanzausschuss des
Deutschen Bundestages kritisieren im ARD-Magazin "Panorama" die 
geltende Ausnahmeregelung für "Steuerhinterzieher" (§ 371 
Abgabenordnung), wonach diese sich durch Selbstanzeige vor Strafe 
retten können und lediglich Steuern und Zinsen nachzahlen müssen. 
Eine vergleichbare Regelung gibt es bei anderen Straftaten nicht.
Der CSU-Abgeordnete Hans Michelbach fordert in "Panorama" 
(Sendung: Donnerstag, 18. Februar, 21.45 Uhr, Das Erste) sogar die 
komplette Abschaffung dieser Regelung, es sei denn, die Schweiz hebe 
ihr Bankgeheimnis im Zuge eines Abkommens zur Doppelbesteuerung auf. 
Die momentane Entwicklung der Selbstanzeigen "pervertiere den Sinn 
des Gesetzes", so Michelbach. Sie zeige, dass Selbstanzeigen nicht 
aus Reue, sondern aus Angst vor Entdeckung motiviert seien.
Auch der FDP-Abgeordnete und Vorsitzende des Finanzausschusses 
Volker Wissing (FDP) stellt in "Panorama" das Instrument der 
Selbstanzeige in Frage. Wissing beklagt, das Gesetz werde "oft 
missbraucht", es bestehe eine "krasse Gerechtigkeitslücke." Eine 
Diskussion über den Sinn des Gesetzes sei überfällig.
Der Vorsitzende der Deutschen Steuergewerkschaft Dieter Ondracek 
schätzt in "Panorama", dass nur ein Prozent der Steuersünder aus Reue
in die Steuerehrlichkeit zurückkehrten, der Rest seien, so Ondracek, 
"in aller Regel ganz ausgebuffte Täter, die mit der Selbstanzeige 
spielen".
Die Selbstanzeigemöglichkeit senkt nach Recherchen von "Panorama" 
die abschreckende Wirkung einer Strafe und steigert so die 
Bereitschaft, Steuern zu hinterziehen. Das Bestrafungsrisiko ist 
gering, weil Banken und manchmal sogar Finanzämter Steuersünder meist
rechtzeitig vor einer drohenden Enttarnung warnen, so dass sie noch 
fristgerecht eine Selbstanzeige erstatten können.
So informieren ausländische Banken ihre deutschen Kunden 
systematisch, sobald die Gefahr besteht, dass die Kunden ins Visier 
von Steuerfahndern geraten.  "Panorama" liegen  vertrauliche Briefe 
von Banken vor, die ihre Kunden darin konkret vor der Steuerfahndung 
warnen. "Wir bitten Sie ebenso dringend wie herzlich zur Kenntnis zu 
nehmen, dass die Maßnahmen der Staatsanwaltschaft und der 
Steuerfahndung zu Ihrer Ermittlung führen werden", heißt es in einem 
Brief. Die Bank nennt ihren Kunden ein konkretes Datum, bis zu dem 
eine Selbstanzeige und somit die Straffreiheit noch möglich sei.
Auf Anfrage von "Panorama" bestätigt die Schweizer 
Bankiersvereinigung, dass Kunden von Schweizer Banken über Datenlecks
informiert werden sollen, sobald eine konkrete Erkenntnis über die 
"Qualität der Daten" vorliege. Der Sprecher des Schweizerischen 
Bankiersvereinigung Thomas Sutter: "Wenn eine Bank konkret Kenntnis 
von einem Datenleck hat, dann wird sie aufgrund ihrer Treue- und 
Sorgfaltspflichten diejenigen Kunden informieren, denen aus dem 
Datenleck ein Nachteil entstehen kann."  Ein Nachteil könne 
eintreten, "wenn ein deutscher Kunde durch ein Datenleck die 
Möglichkeit zur Selbstanzeige bei Steuerhinterziehung verliert". Ein 
ähnliches Vorgehen bestätigten auch diverse Schweizer Banken, etwa 
ein Sprecher der UBS. Der Bank lägen zwar aktuell keinerlei 
Kenntnisse über ein Datenleck vor, generell informiere die UBS jedoch
"ihre  Kunden über Steuerinitiativen in ihren Domizilländern".
Steuersünder können auch auf Warnungen vom Finanzamt hoffen. So 
liegt "Panorama" ein Schreiben eines Finanzamtes vor, das einen 
Kunden auf seine Geschäftsbeziehungen zu ausländischen Banken 
hinweist und eine Selbstanzeige empfiehlt. In dem Brief heißt es: 
"Haben Sie Ihr Vermögen und ihre Einnahmen aus Kapitalvermögen bisher
nur unvollständig erklärt, können Ihre oben angeforderten Auskünfte 
(...) als Strafanzeige gewertet werden." In Anwaltskreisen werden 
solche Briefe "Einladung zur Selbstanzeige" genannt.
18. Februar 2010

Pressekontakt:

NDR Norddeutscher Rundfunk
NDR Presse und Information
Telefon: 040 / 4156 - 2304
Fax: 040 / 4156 - 2199
http://www.ndr.de

Original-Content von: NDR Norddeutscher Rundfunk, übermittelt durch news aktuell

Weitere Storys: NDR Norddeutscher Rundfunk
Weitere Storys: NDR Norddeutscher Rundfunk