Überwachung bei Besuchen von Julian Assange: offenbar auch Journalisten des NDR betroffen - NDR erstattet Strafanzeige
Hamburg (ots)
Wikileaks-Gründer Julian Assange und seine Besucher wurden über Jahre in der ecuadorianischen Botschaft in London systematisch ausgespäht. Das belegen Dokumente und Videoaufnahmen, die NDR und WDR vorliegen. Betroffen von der Überwachung durch das spanische Sicherheitsunternehmen Undercover Global - kurz: UC Global - waren neben Ärzten und Anwälten von Julian Assange offenbar auch deutsche Journalisten, unter anderen drei Mitarbeiter des NDR. Am Donnerstag, 28. November, stellte der NDR Strafanzeige gegen UC Global wegen des Verstoßes gegen datenschutz- und persönlichkeitsrechtliche Bestimmungen.
Interne Emails der Sicherheitsfirma UC Global sowie Ton- und Videoaufnahmen von Julian Assange mit seinen Besuchern zeigen, wie die Überwachungsmaßnahmen nach und nach ausgebaut wurden. Sicherheitsbedienstete sollen Seriennummern von Mobiltelefonen erfasst, Vermerke über Besucher angelegt, Pässe kopiert, elektronische Geräte zerlegt und versteckte Mikrofone im Botschaftsgebäude angebracht haben. Das gesammelte Material soll laut Aussagen von früheren Mitarbeitern auch Auftraggebern in den USA bereitgestellt worden sein - mutmaßlich einem Nachrichtendienst.
Julian Assange lebte von 2012 bis April 2019 in der Botschaft Ecuadors in London. Für die Sicherheit innerhalb des Botschaftsgebäudes war bis zum Jahr 2018 das Sicherheitsunternehmen UC Global verantwortlich, das von der ecuadorianischen Regierung unter anderem beauftragt worden war, Filmaufnahmen anzufertigen und Gäste zu überprüfen.
Frühere Mitarbeiter der Sicherheitsfirma UC Global, mit denen NDR und WDR sprechen konnten, werfen dem Unternehmen und seinem Geschäftsführer David Morales allerdings vor, die innerhalb der Botschaft gewonnen Erkenntnisse später auch an mutmaßlich nachrichtendienstliche Auftraggeber in den USA bereitgestellt zu haben. In unternehmensinternen Emails, die NDR und WDR vorliegen, ist immer wieder die Rede davon, die Audioqualität der Tonmitschnitte zu verbessern. Wiederholt geht es auch um die Einrichtung eines sicheren Livestreams aus der Botschaft.
Im Januar 2018 teilt Morales seinen Mitarbeitern schließlich mit, er müsse Probleme mit den "Streaming Connections" beheben. Dabei handelt es sich um die Leitungen für einen Fernzugriff auf das Überwachungsmaterial. In einer Mail heißt es, es brauche "einen Zugang für Ecuador, einen für uns und einen für X".
Das spanische Sicherheitsunternehmen UC Global und dessen Anwälte weisen die Anschuldigungen, über die zuerst die spanische Tageszeitung El Pais berichtet hatte, zurück und betonen, das Unternehmen habe stets nur im Auftrag der Regierung von Ecuador gehandelt. Im Gespräch mit NDR und WDR räumte ein Anwalt von UC Global zwar ein, dass das Unternehmen mit US-amerikanischen Nachrichtendiensten zusammenarbeite. Allerdings sei dies nicht bei der Überwachung der ecuadorianischen Botschaft in London der Fall gewesen. Auch seien von UC Global keinerlei Audioaufnahmen innerhalb der Botschaft angefertigt worden. Das Unternehmen wirft umgekehrt Mitarbeitern von Wikileaks vor, verdeckte Tonaufnahmen angefertigt und die Vorwürfe konstruiert zu haben.
Regierungsstellen in den USA und Ecuador wollten sich auf Anfrage nicht zu den Vorgängen äußern. Der US-Nachrichtendienst CIA ließ eine Anfrage unbeantwortet. Auch das US-Justizministerium und das FBI wollten den Vorgang nicht kommentieren. Ebenfalls unbeantwortet blieb eine Anfrage an die ecuadorianische Regierung.
Die Anwälte von Julian Assange haben wegen der Überwachungsmaßnahmen Strafanzeige in Spanien gestellt. Dort ermittelt die Justiz. Im September 2019 hatten Ermittler bereits Hausdurchsuchungen in Spanien durchgeführt und dabei unter anderem Festplatten, Waffen und Bargeld beschlagnahmt sowie UC Global Chef David Morales vorübergehend festgenommen.
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