BDI Bundesverband der Deutschen Industrie
BDI-Präsident Henkel zur Hannover-Messe 2000: Dynamische Weltwirtschaft bringt Deutschland den Konjunkturfrühling - zu hohe Tarifabschlüsse würden wie Frost wirken
Hannover (ots)
"Die außergewöhnliche Dynamik der Weltwirtschaft ist Hauptgrund für unsere günstigen Konjunkturaussichten in diesem Jahr", erklärte Hans-Olaf Henkel, Präsident des Bundesverbandes der Deutschen Industrie (BDI), am Montag auf der Hannover-Messe. Unsere Konjunktur werde vor allem durch andere Länder mitgezogen. Das deutsche Wirtschaftswachstum bliebe zwar immer noch unter dem EU-Durchschnitt, doch ein Plus von bis zu drei Prozent könne dieses Jahr möglich werden.
Mit dem Rückenwind der rund laufenden Weltkonjunktur und einer währungsbedingt verbesserten Wettbewerbsposition könne die deutsche Exportwirtschaft ihr Ausfuhrvolumen in diesem Jahr um rund acht Prozent steigern. Verbesserte Absatz- und Ertragsperspektiven dürften eine weiterhin lebhafte Investitionskonjunktur begünstigen. Nach Einschätzung des BDI-Präsidenten werden die Ausrüstungsinvestitionen wie im Vorjahr um etwa fünf bis sechs Prozent zunehmen.
Allerdings gebe es auch Risiken. Das größte Risiko sei die laufende Tarifrunde. "Wenn der Abschluss zu hoch ausfällt, kann das die junge Konjunkturblüte wie Frost treffen. Bereits 1993 und 1996 ist genau dies passiert", warnte Henkel. Der schwache Euro sei ein weiteres Risiko, denn er täusche den Unternehmen gute preisliche Wettbewerbsfähigkeit nur vor. Dies sei für eine Exportnation auch deshalb ein "süßes Gift", weil man sich durch die immer teurer werdenden Importe die Inflation ins Land hole. "Werden daraufhin die Zinsen erhöht", so der BDI-Präsident, "werden Investitionen und Wachstum gebremst."
Mit der Unternehmenssteuerreform sei Rot-Grün in der richtigen Richtung unterwegs, aber bei Ausmaß und Tempo müsse noch nachgebessert werden. Insbesondere die
Personenunternehmen - immerhin rund 80 Prozent aller Unternehmen in Deutschland - müssten stärker entlastet werden. Drei Punkte sind nach Henkels Überzeugung vordringlich: "Erstens muss sich der Spitzensteuersatz auf eine Marke unter 40 Prozent zu bewegen. Zweitens brauchen wir für die Veräußerung von Personenunternehmen oder Mitunternehmeranteilen eine adäquate Regelung wie bei Kapitalgesellschaften, beispielsweise durch die Bildung einer steuerfreien Rücklage. Und drittens müssen wir jetzt in den Abbau der Gewerbesteuer einsteigen." Er selbst habe hierzu die Senkung der Gewerbesteuermesszahl von fünf auf vier Prozent bei gleichzeitiger Minderung der Gewerbesteuerumlage angeregt. Die Union habe sich diese Forderung zu eigen gemacht. Entscheidend sei, dass sich Regierung und Opposition nun auf ein Konzept verständigten, das die Bezeichnung Unternehmenssteuerreform wirklich verdient.
Die "Ökologische Steuerreform" sei Etikettenschwindel. Henkel wies darauf hin, dass die deutsche Wirtschaft nach Angaben der Bundesregierung bisher 18 Milliarden Mark in den Klimaschutz investiert hat. Die Selbstverpflichtung der Wirtschaft zur Senkung der CO2-Emissionen zeitige erhebliche Erfolge. Die Ökosteuer bewirke das genaue Gegenteil, indem sie den Unternehmen die Mittel für Investitionen in energiesparende Anlagen wegbesteuert.
Zusätzlich verhindere sie die dringend notwendige Reform der sozialen Sicherungssysteme. Die Reform der Rente sei stecken geblieben oder - wie bei der Kranken- und Arbeitslosenversicherung - überhaupt nicht erkennbar. Über eine Reform des Tarifvertragsrechts mit dem Ziel, Arbeitsplätze zu sichern, ließen Regierung und Gewerkschaften bisher nicht mit sich reden.
Globalisierung und technischer Fortschritt, wie der des Internets, veränderten die Wirtschaftsstrukturen. "Nationen, die sich zu lange gegen den erkennbaren Wandel sträuben, zahlen dafür einen hohen sozialen Preis. Wenn wir mit falschen politischen Vorgaben alte Strukturen konservieren, dann stellen wir uns für den Wettbewerb der Wirtschaftsstandorte strategisch falsch auf", mahnte Henkel: "Im heutigen Wettbewerb der Wirtschaftsstandorte ist entscheidend, möglichst viel Wertschöpfung in Deutschland zu halten und nach Deutschland zu holen".
Telekommunikation, Medien und Internet seien derzeit die Konjunkturlokomotiven, mit Wachstumsraten von mehr als 30 Prozent - auch auf dem Arbeitsmarkt. Darum wäre es fatal, wenn wir in Deutschland diese Lokomotiven nicht voll unter Dampf setzen könnten, weil uns die Fachkräfte fehlen. Rund 75.000 Fachkräfte fehlten zur Zeit in der Informations- und Kommunikationsbranche, noch einmal so viele bei den Anwendern der I+K-Techniken. Auch im Maschinenbau bremse bereits ein Mangel an Fachleuten die Entwicklung. Bis 2003 werde mit einem Fehlbedarf von 300.000 Fachleuten in der gesamten Wirtschaft gerechnet. Schon aus diesem Grund, so Henkel, müssten wir unseren Arbeitsmarkt schnellstens für hochqualifizierte Fachkräfte aus dem Ausland öffnen.
Die Wirtschaft bilde zur Zeit rund 25.000 Jugendliche in neuen IT-Berufen aus, Ende des Jahres werden es mehr als 40.000 sein. Auch die Zahl der Studienanfänger in Elektrotechnik und Informatik steige wieder. Und weiterbildungsfähige Arbeitslose müssten schnellstens umgeschult werden. Aber das allein reiche nicht, warnte der BDI-Chef. Bis alle einsatzfähig seien, hätte Deutschland bereits entscheidende Marktanteile verloren.
Henkel dämpfte die Hoffnung auf schnelle Besserung. Die weltweit gesuchten Spitzenkräfte stünden nicht gerade an Deutschlands Grenzen Schlange. Ihnen müssten schon attraktive Bedingungen geboten werden, damit sie kommen. Das würde für eine echte Green Card nach amerikanischem Vorbild sprechen. "Im weltweiten High-Tech-Wettbewerb kann Deutschland sich keinen nationalen Provinzialismus leisten", betonte der BDI-Präsident.
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