Tiroler Almgeflüster - Über das Leben auf einer Tiroler Hochalm
Kramsach (ots)
Ein Bauer, der sticken kann. Ein Mann, der am liebsten auf seiner Alm ist und Edelweiß sucht. Ein verschmitzter Zeitgenosse, gezeichnet von unzähligen Lachfalten, dem der Schalk nur so aus den Augen blitzt. Eine treffendere Beschreibung kann man für Josef nicht finden.
Die morgendlichen Nebelschwaden umspielen die schroffen Bergwipfel und kündigen einen sommerlichen Tag auf der auf 1640 m gelegenen "Überschüss Hochalm" an. Bereits von weitem hört man den Lockruf des Almhirten über das schroffe Almgebiet schallen: " geht´s a, geht´s a, geht´s a" ruft er, wenn die Kühe in der Morgendämmerung von den saftigen Almwiesen getrieben werden um in den Stallungen gemolken zu werden.
Einer, der diese Almtradition lebt, ist der Bauer Josef Hechenblaickner. Der 52-jährige Vollerwerbsbauer aus Reith im Alpbachtal pflegt seit nunmehr 10 Jahren diese Tradition und erzählt, wie er jedes Jahr im Frühling, wenn sich die Landschaft wieder in ein zartes Grün zu färben beginnt und die Tage wärmer werden, ein gewisses "Kribbeln" verspürt. Das ist die Vorfreude, weil es bald wieder auf seine Almhütte geht. Mit insgesamt zehn Bauern, die zum Großteil ebenfalls aus der Region Alpbachtal Seenland stammen, teilt er sich das 1200 Hektar fassende Almgebiet am Schleimsjoch am Rande des Naturschutzgebietes Karwendel. Mit insgesamt 150 Milchkühen und rd. 110 Jungtieren bleiben die Bauern hier den Sommer über von Juni bis Ende September auf den Almen.
Der Arbeitstag
Mit seinen 32 Kühen hat sich der "Angerer", wie Josef von den heimischen Bauern genannt wird, auf der wildromantischen Überschüss-Alm auf 1640 m Seehöhe niedergelassen. Das Leben auf der Alm ist jedoch nichts für Zartbesaitete und hat mit romantischen Vorstellungen nur wenig zu tun. Ein Arbeitstag fängt hier im ersten Morgengrauen an: um 6.00 Uhr werden schon die Kühe gemolken. Die müssen zuerst auf langen Märschen zusammengetrieben werden, da sie über Nacht weit im Almgebiet verstreut grasen. Jeden zweiten Tag wird die Milch dann per Traktor den steinigen, abschüssigen Weg hinunter auf den Niederleger gebracht, wo sie von einem Sammeltransport abgeholt wird. Dabei gestaltet sich die Fahrt jedoch zu einem riskanten Abenteuer. Der breite Traktor samt Anhänger arbeitet sich in Zentimeterarbeit den schmalen, gefährlichen Weg hinab. Da darf keine Unachtsamkeit passieren. "Seit unsere Materialseilbahn kaputt ist, ist das Milchliefern mit dem Traktor die einzige Möglichkeit, die Milch zeitgerecht ins Tal zu bringen" so der Angerer.
Ein Bauer der in seiner Freizeit stickt
Auf die Frage, ob solch ein Leben in der Einöde auf die Dauer- es sind ja immerhin vier Monate- nicht sehr trist ist, antwortet er mit einem Lächeln: "ich treibe meine Kühe zu den besten Plätzen im Gebiet, treffe Menschen von den umliegenden Almen und genieße die Ruhe und die Natur - nein, also langweilig wurde mir hier noch nie". Dann holt er aus seiner urigen Hütte ein Stück Leder, dass mit weißem Faden bestickt ist. "Wenn es regnet, mache ich es mir in der Hütte gemütlich und sticke" erzählt er. Sogleich spannt er das Leder in einen Holzstock und zieht die feinen Fäden mit einer stabilen Nadel durch die kleinen Einstichlöcher. Dies wird der Kopfschmuck für den Almabtrieb, den jede Kuh im September trägt. Von Hand gemacht, versteht sich. Dazu verwendet er jedoch anstatt des traditionellen Federkiels einen Plastikfaden, der stabiler ist und sich auf dem langen Marsch ins Tal nicht so schnell abnützt.
Das "O-kasen" und der Almabtrieb
Im September, wenn sich die Bäume färben und die Nächte schon sehr kühl sind, werden letzten Vorbereitungen für den großen Marsch ins Tal getroffen. Die Alm wird wetterfest gemacht, die Zäune abgebaut und der Kopfschmuck der Kühe bekommt seinen letzten Feinschliff. Auch das ist Tradition, dass die letzten Essensvorräte beim "O-kasen" (was so viel bedeutet wie "Ab-käsen") aufgegessen werden, daraus wird ein großes Fest mit allen Bauern von den umliegenden Almen. Dass es beim "O-kasen" recht heiter zugeht, versteht sich von selbst. Der Angerer hat beim Abstieg von der Alm mit seinem Vieh 30 km zu bewältigen. "Wir fahren am 29. September mit den Kühen über den "Kasbach" nach Rotholz, wo wir eine kleine Rast einlegen, bevor es nach Reith weitergeht" so der Angerer. Mit dem "fahren" ist das Treiben der Kühe gemeint - doch verwendet der Angerer nach althergebrachter Bauernsprache für so ziemlich jeden Ausdruck der Fortbewegung das Wort "fahren".
Ruhe im Gebirge
Nach der Almzeit wird es wieder ruhig im Gebirge. Das Läuten der Kuhglocken verhallt mit den letzten Kühen, die in den späten Septemberwochen ins Tal getrieben werden. Jetzt beginnt wieder die beschauliche Zeit am Hof, bevor die Almbauern im Frühjahr wieder ihr "Kribbeln" verspüren und den Ruf der Natur folgen.
Am 22. und 29. September werden die Bauern der Region Alpbachtal Seenland zum 25. Jubiläums-Almabtrieb im Ortszentrum von Reith im Alpbachtal erwartet. Man darf gespannt sein, welche Almgeschichten sie dieses Jahr wieder zu erzählen haben.
Bildmaterial unter: http://www.ots.at/redirect.php?alpbachtal2
Rückfragehinweis:
Mag. Gabriele Grießenböck, Presse/PR
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