Lebensrettende Innovation: Herztransplantation trotz unverträglicher Blutgruppe
Dem heute einjährigen Janosz S. wurde am Deutschen Herzzentrum der Charité (DHZC) ein Herz transplantiert, obwohl die Blutgruppe des Spenders eigentlich unverträglich ist. Was bei Erwachsenen katastrophale Folgen haben würde, ist bei Säuglingen und Kleinkindern unter bestimmten Umständen nicht nur möglich, sondern zeigt sogar gute Langzeitergebnisse.
Janosz S. aus Berlin wurde Mitte Oktober 2024 ins Deutsche Herzzentrum der Charité eingeliefert. Die Diagnose: „Dilatative Kardiomyopathie“ – eine letztendlich unheilbare und lebensbedrohliche Erkrankung des Herzmuskels. Der damals erst sieben Monate alte Säugling musste an ein Kunstherzsystem („Berlin Heart“) angeschlossen werden und wurde auf die Warteliste für eine Herztransplantation gesetzt.
Begrenzte Verfügbarkeit von Spenderorganen
Janosz‘ Eltern mussten sich auf eine lange Wartezeit einstellen. Denn gerade bei Säuglingen und Kleinkindern stehen nur sehr wenige Spenderherzen zur Verfügung. Es können deshalb oft viele Monate, in einigen Fällen sogar Jahre vergehen, bis ein nach Größe und Blutgruppe passendes Organ verfügbar ist – mit wachsenden Risiken für das schwer kranke Kleinkind.
Besonderheiten bei Säuglingen
Bei Kindern unter zwei Jahren ist eine Transplantation unter Umständen aber auch dann möglich, wenn die Blutgruppen von Spender:in und Empfänger:in nicht miteinander verträglich sind. Bei älteren Kindern, Jugendlichen oder Erwachsenen wäre eine solche „AB0-inkompatible Transplantation“ ein fataler Fehler, da das Immunsystem das als „fremd“ erkannte Organ sofort und vehement abstoßen würde.
Diese Reaktion bleibt bei Säuglingen wie Janosz jedoch aus, weil das Immunsystem sich in diesem Alter noch nicht vollständig ausgeprägt hat. Da diese Entwicklung aber bei jedem Kind unterschiedlich verläuft, muss jede AB0-inkompatible Transplantation sorgfältig vorbereitet werden.
Dazu wird die Konzentration der Antikörper im Blut des Kindes, der „Antikörper-Titer“, während der Wartezeit regelmäßig gemessen. Nur solange diese Werte niedrig genug sind, wird die Möglichkeit zur inkompatiblen Transplantation auf der Warteliste vermerkt.
Steht dann ein Spenderorgan zur Verfügung, wird der Titer noch einmal gemessen, bevor das Angebot akzeptiert und die Transplantation vorbereitet wird. Innerhalb bestimmter Grenzen ist die Transplantation mit unverträglicher Blutgruppe selbst dann möglich, wenn sich bereits Antikörper gebildet haben, denn sie können während der Operation durch ein spezielles Filterverfahren (Immunadsorption) in der Herz-Lungen-Maschine entfernt werden.
Erfolgreiche Transplantation
Für Janosz S. stand nach vergleichsweise kurzer Wartezeit Anfang Februar ein passendes Organ mit unverträglicher Blutgruppe zur Verfügung. Seine Antikörper-Konzentration war so gering, dass er ohne weitere Vorbehandlung transplantiert werden konnte.
Der Eingriff verlief ohne Komplikationen. Nach einer guten und schnellen Erholung konnte Janosz entlassen werden und ist nun wieder zu Hause.
Wissenschaftlich fundiertes Verfahren
Diese Transplantationstechnik ist medizinisch erprobt und sicher: Sie stammt aus Kanada, wo sie schon seit rund 25 Jahren und bei mehreren hundert Kindern angewandt wurde, mit wissenschaftlich klar belegten Erfolgen. Einige Studienergebnisse deuten sogar darauf hin, dass diese Organe vom Körper der kleinen Empfänger:innen langfristig besser angenommen werden.
Umfassende Vorbereitung am DHZC
Am DHZC wurde für die AB0-inkompatible Transplantation ein detailliertes Protokoll erarbeitet und mit der Bundesärztekammer, der Deutschen Stiftung Organtransplantation (DSO) und Eurotransplant abgestimmt. Zudem wurden die dafür notwendigen Laborkapazitäten am DHZC speziell für diese Verfahren validiert.
Janosz ist bereits das dritte Kind, dem am DHZC ein Spenderherz implantiert wurde, für das es sonst keine passende Empfängerin oder keinen passenden Empfänger gegeben hätte.
Entscheidende Vorteile für kleine Patient:innen
„Die Vorteile dieser innovativen Transplantationsmethode liegen auf der Hand“, sagt Prof. Dr. Felix Berger, Direktor der Klinik für Angeborene Herzfehler – Kinderkardiologie am DHZC: „Die Erweiterung des Spenderpools bedeutet mehr verfügbare Herzen für sehr kleine Kinder, eine deutliche Verkürzung der Wartezeit und damit eine Reduktion der Sterblichkeit auf der Warteliste.“
Christian Maier
Leitung
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