Waigel: Euro als Vollendung des Binnenmarktes
Düsseldorf (ots)
Bereits zum 5. Mal fand die Handelsblatt Jahrestagung "Banken im Umbruch", organisiert von der EUROFORUM Deutschland GmbH, statt. Auch diesmal waren zahlreiche Vertreter der Banken- und Finanzwelt anwesend, um vor rund 400 Teilnehmern über den Weg zur "Bank der Zukunft" zu diskutieren. Professor Wolfgang Gerke, Inhaber des Lehrstuhls für Bank- und Börsenwesen (Universität Erlangen-Nürnberg), moderierte die Handelsblatt-Veranstaltung. Themenschwerpunkte waren Euroschwäche, Wettbewerbsfähigkeit deutscher Banken, Fusionen in Europa und E-Business.
Bezüglich des Euro bekennt sich Dr. Theo Waigel, Bundesminister a.D. zur "Verantwortung", nicht zur "Schuld" seiner Einführung. Der Euro müsse im wirtschaftseuropäischen Kontext gesehen werden und stehe für die Vollendung des Binnenmarktes. Die D-Mark, das "liebste Kind der Deutschen", sei nicht dazu da, als Anker-Währung andere Währungen zu stützen und zu stabilisieren. Die Kursverluste des Euro - der Außenwert ist gegenüber dem US-Dollars um ungefähr 25 Prozent gefallen - bedürfen nach Waigels Meinung einer intensiven Analyse. Berücksichtigt werden müsse dabei die niedrige Arbeitslosenrate in den USA, der ein langsamer Wachstumsmotor in Europa gegenüberstünde. Dies würde sich aber nach europäischen Umstrukturierungen, beispielsweise durch die Steuerreformen, verschieben. Das Zusammenwachsen der europäischen Finanzplätze, mehr Wettbewerb, aber auch E-Banking seien weitere wichtige Schritte zur Stärkung der Wirtschaft in Europa.
Ein stärkerer Außenkurs des Euro wurde in der anschließenden Diskussionsrunde, an der sich neben Waigel auch Dr. Helmut Haussmann, europapolitischer Sprecher der FDP-Bundestagsfraktion und Jörg-Otto Spiller, finanzpolitischer Sprecher der SPD-Bundestagsfraktion, beteiligten, von allen gefordert. Dazu seien aber noch einige Strukturveränderungen notwendig. Die Steuerreform sei zwar schon ein wichtiger Schritt in die richtige Richtung, aber in den Bereichen Ladenschluss und Finanzdienstleistungen seien noch erhebliche Defizite zu verzeichnen: "Die deutschen Banken sind noch nicht in Europa angekommen." kommentierte Spiller den Zustand in Deutschland. Vorherrschend sei immer noch eine nationale Orientierung sowohl im Tagesgeschäft als auch in der Organisation. Haussmann kritisierte die fehlende Unterstützung des Mittelstandes durch die deutschen Banken.
Von Gerke auf die Vision "Große Versicherung schluckt große Bank" angesprochen, meinte Haussmann, "eine rein nationale Betrachtungsweise sei längst überholt" und die Praxis zeige, dass Fusionen aufgrund unterschiedlicher Kulturen, mangelhafter Fusionsfähigkeit und Fehlen von klaren Commitments selten erfolgreich seien. Spiller wies daraufhin, dass die deutsche Finanzwirtschaft international handlungsfähige Unternehmen benötige und eine Öffnung nach außen notwendig sei. Mit Besorgnis beobachte er die Tendenz der Banken, sich zu sehr auf vermögende Privatkunden zu konzentrieren. Es könne daraus ein politisches Problem entstehen, wenn die Grundversorgung an Finanzdienstleistungen nicht mehr gewährleistet sei.
Unter Hinweis auf die am 14. September 2000 bekannt gewordene Übernahme von der traditionsreichen Investmentbank J.P. Morgan durch die drittgrößte Bankholding Chase Manhattan für 39 Milliarden US-Dollar sprach sich Waigel für eine internationales Wettbewerbsrecht aus, kontrolliert von einem Weltkartellamt. Freiheit funktioniere nicht ohne Ordnung, so der ehemalige Bundesfinanzminister.
"Endlich faire Wettbewerbsbedingungen für die heimischen Märkte" fordert Wolfgang Arnold, Stellvertretender Hauptgeschäftsführer des Bundesverbandes deutscher Banken. Die Subventionierung der Landesbanken sieht Arnold als ein entscheidendes Hemmnis für einen fairen Wettbewerb. Durch die besonderen Begünstigungen wie Gewährträgerhaftung und Anstaltslast seien marktwirtschaftliche Gesetze außer Kraft gesetzt. Die öffentlich-rechtlichen Kreditinstitute profitierten letztendlich von der Bonität des Staates. Am Beispiel der WestLB berechnete die Europäische Kommission in einem internen Papier im Bereich der Refinanzierung einen Kostenvorteil von jährlich über 700 Millionen Mark.
Die lokale Überpräsenz der Sparkassen behindere weiterhin den Einstieg ausländischer Unternehmen. Arnold zitiert den Vorstandssprecher der niederländischen ABN AMRO Bank, Jan Kalff, mit der Bemerkung, dass ein Einstieg in das Filialgeschäft mit der Massenkundschaft in Deutschland für eine ausländische Bank uninteressant sei. Investitionen in das Retail- , aber auch in das mittelständische Firmenkundengeschäft würden sich nicht rentieren. Arnold betont, dass diese einmalige nationale Wettbewerbsituation zu einer Ertragsschwäche der deutschen Banken in wichtigen Segmenten führe. Daher sei auch die Börsenkapitalisierung im internationalen Vergleich ausgesprochen niedrig. Hier sieht Arnold eine weitere Gefahr, nämlich die der Übernahmeversuche.
Als "ordnungspolitischen Defekt" bezeichnet Professor Dr. Wernhard Möschel, Vorsitzender des Wissenschaftlichen Beirats beim Bundesministerium für Wirtschaft und Technologie, die Möglichkeit, Landesbanken und Sparkassen für industriepolitische Zwecke zu instrumentalisieren. Die Banktätigkeit werde zu ausgedehnter staatlicher Wirtschaftstätigkeit erweitert, im Extremfall würden öffentlich-rechtliche Kreditinstitute eingesetzt, um Wählerstimmen zu kaufen. Ein Beispiel sei die Einschaltung der Kreditanstalt für Wiederaufbau KfW bei der Sanierung der Holzmanngruppe.
Die Intransparenz solcher Einflussnahmen und damit einhergehende Verfilzungen zwischen öffentlicher Hand und öffentlichem Kreditgewerbe, führten laut Möschel zu einem "demokratietheoretischen Defizit". Hier seien Reformen notwendig, da die politischen Kräfte in Deutschland aber ungern auf solche Einflussinstrumentarien verzichteten, setzt Möschel seine Hoffnungen auf Entscheidungen aus Brüssel.
Dr. Holger Berndt, geschäftsführendes Vorstandsmitglied des Deutschen Sparkassen- und Giroverbandes, sieht dahingegen den Wettbewerb durch Sparkassen und Landesbanken gesichert: Eine starke flächendeckende Präsenz, schnelle Entscheidungen, hervorragende Kenntnisse des regionalen Marktes und eine bessere Risikobetreuung seien gute Gründe für die öffentlich-rechtliche Kreditwirtschaft. Im übrigen stünden die Sparkassen und Landesbanken vor den gleichen Problemen wie die Privatbanken: die Veränderung des Bankgeschäfts durch neue Technologien, Änderung des Kundenverhaltens, neue Vertriebswege wie Online-Banking und Regulierungen habe Auswirkungen auf alle Marktteilnehmer, jeder reagiere darauf aber anders.
"Das Allfinanzkonzept ist so aktuell wie eh und je, aber die klassische Universalbank ist in der Auflösung begriffen und weicht einer stärkeren arbeitsteiligen Struktur". Diese Kernthese vertritt Dr. Bernd Thiemann, Vorstandvorsitzender der DG Bank Deutsche Genossenschaftsbank AG. Drei große Einheiten werden sich seiner Ansicht nach herausbilden: Die Produktionsbank als Entwickler und Hersteller von Finanzdienstleistungen und zuständig für Informationstechnologie und das Transaktionsmanagement, die Portfoliobank zur Steuerung von Portfolien und tätig im Bereich des Risikomanagements sowie die Vertriebs- und Beraterbank, die als einzige sichtbar für den Kunden ist und eine erkennbare Marke benötige.
Die Ziele für die genossenschaftlichen Banken sieht Thiemann im wesentlichen in der Verbesserung der Marktbearbeitung und Marktausschöpfung, Verbesserung der Kostenstrukturen, Vereinheitlichung der IT-Landschaft, Intensivierung des Auslandsgeschäfts und einer bedarfsorientierten Produktentwicklung. Die "Bündelung der Kräfte" ist für Thiemann ein wesentlicher Erfolgsfaktor, so plane die DG Bank eine strategische Allianz mit der Rabobank, ab 2002 werde dann die DGRI DG Rabo International bestehen.
Outsourcing für das Bankengeschäft Nur noch 43 Privatbanken von ehemals 200 sind heute übrig. Um im wachsenden Wettbewerbsdruck bestehen zu können, ist Outsourcing mittlerweile auch für Banken ein Thema geworden, wie der Beitrag von Johannes Maret, persönlich haftender Gesellschafter des Bankhauses Sal. Oppenheims zeigt. Eine Neupositionierung sei vor allem wegen deutlich gestiegener Fixkosten notwendig geworden. Ein erster Schritt war daher die externe Vergabe sämtlicher EDV-Dienstleistungen. Bis Mitte 2001 will die Privatbank Sal. Oppenheim dann sämtlichen Zahlungsverkehr sowie die Geld- und Devisenabwicklung über die Systeme der ETB AG abwickeln. Nach fünfjähriger Laufzeit endet der Vertrag mit ETB und dann werde geprüft, "ob wir auf dem Markt standardisierte Leistungen auch anderweitig einkaufen können - oder ob die ETB weiter unser Idealpartner ist." erklärte Maret. Für Oppenheim habe sich diese Entscheidung als ein sinnvoller Schritt erwiesen. Durch eine bessere Preisstruktur sei auch die Wettbewerbsfähigkeit gestiegen und die Massenabwicklung bringe auch Vorteile bei der Stückkosten-Degression. Maret rechnet damit, dass sich die Migrationskosten in 1,5 bis 2 Jahren amortisiert haben. Wilfried Bolte, Mitglied des Vorstandes der WPS Bank, erwartet, dass in Zukunft lediglich große Anbieter wettbewerbsfähig sein können. Der Preisverfall werde eine Spezialisierung im Wertpapier-Processing beschleunigen. Zurzeit decken fünf große Anbieter rund 80 Prozent des deutschen Marktes ab: WPS Bank, bws Bank, e.t.b., Dresdner Bank und FMSB.
"Fusionswelle in Europa - entscheidet in Zukunft Größe oder das bessere Konzept über Erfolg oder Misserfolg in der Bank der Zukunft?" Unter diesem Motto stand die Diskussionsrunde am Nachmittag des ersten Tags der 5. Handelsblatt-Jahrestagung "Banken im Umbruch." Teilnehmer der Runde waren Professor Dr. Bernd Fahrholz, Sprecher des Vorstandes der Dresdner Bank, Hilmar Kopper, Aufsichtsratvorsitzender der Deutschen Bank, Peter Gloystein, Sprecher des Vorstandes der BHF-Bank und Professor Dr. Dr. Manuel René Theisen, Ludwig-Maximilians-Universität in München. Einigkeit herrschte darüber, dass gegenwärtig keine Fusionswelle in der europäischen Bankenlandschaft auszumachen sei, weil Cross-border-merger selbst mit einer einheitlichen Währung immer noch so gut wie unmöglich seien. Kopper meinte weiterhin, dass es trotz der Euro-Einführung bislang nicht gelungen sei, eine "europäische AG" zu schaffen. "Wenn überhaupt, dann seien Übernahmen denkbar", sagte der ehemalige Chef der Deutschen Bank. Einen weiteren Konsolidierungsprozess bei den Banken halten jedoch sowohl Kopper als auch Fahrholz für wahrscheinlich.
Der Finanzplatz Frankfurt leide nach Ansicht Koopers unter weiteren Hemmnissen, wie beispielsweise die hohen Einkommensteuern in Deutschland. Guten Mitarbeitern aus dem Ausland das gleiche Netto-Gehalt zu zahlen ginge nicht, also blieben potenzielle Mitarbeiter in den USA oder gingen nach London. Das schade natürlich dem Finanzplatz Frankfurt.
Von Professor Gerke nach ihren jeweiligen Strategien befragt, antwortete Fahrholz, dass die Dresdner Bank als Multispezialbank auf vier Plattformen setze: 1. Das Advisory Geschäft mit den Komponenten Private Banking, Corporate Banking und Asset Management, 2. Assets, 3. Kundenfranchise, 4. Transaction Banking (Cash Management und Discount Brokerage). Weiterhin sei die Verselbständigung der einzelnen Unternehmensbereiche geplant. Gloystein bemerkt, dass die BHF-Bank seit Jahren das mache, was die Dresdner Bank plane. Durch die Fusion mit der IMG Bank fokussiere die BHF auf ihr Stammgeschäft. Im IMG Konzern werde die BHF Bank die Schwerpunkte auf die Competence Center a) Strukturierte Finanzierung, b) High Leverage, c) Trade and Commodity sowie d) Neuer Markt legen. Kopper geht davon aus, die Deutsche Bank in eine internationale, globale Bank umzuwandeln.
Das bedeute eine Amerikanisierung aufgrund der angelsächsischen Produkte, aber auch ein ausländischer Vorstandssprecher sei vorstellbar, entscheidend sei letztendlich die Persönlichkeit.
Die Frage nach neuen Vorständen und Aufsichtsräten in Deutschland wurde kontrovers diskutiert. Während Theisen eine Trennung der Verantwortungsbereiche fordert und ein dominantes Vorstandsmitglied als zu wenig erachtet, hält Kopper dagegen und meint, dass die Verantwortung nur klar definiert werden müsse. Ein CEO sei für eine Bank ausreichend, schon als Ansprechpartner nach außen, benötige rechtlich aber mehrere Mitglieder. Fahrholz sieht ebenfalls eine klare Einzelverantwortung für die einzelnen Bereiche als notwendig an.
E-Business und E-Services für in der europäischen Bankenlandschaft - unter diesem Motto stand der 2. Tag der Handelsblatt-Jahrestagung "Banken im Umbruch".
Professor Dr. Hubert Österle, Leiter des Instituts für Wirtschaftsinformatik, eröffnete den Teilnehmern zahlreiche neue Betätigungsfelder für Finanzdienstleister im Bereich E-Services. Als Beispiele nennt er Angebote wie die von PayNet (www.paynet.de), das erste "Electronic Bill Presentment und Payment System (EBPP)" in Europa, X.Com (www.x.com,) ein globaler Online-Bezahlservice oder die memIQ AG, (www.memiq.de) die im Juni 2000 von der Bayerischen Hypo- und Vereinsbank AG, der IXOS Software AG und der Mannesmann AG gegründet wurde. Banken hätten durch die neuen Technologien die Möglichkeit, für primäre Kundenprozesse und komplette Finanzprozesse oder den privaten Administrationsprozess neue Konzepte zu entwickeln.
Jörg Menno Harms, Vorsitzender des Aufsichtsrats der Hewlett Packard GmbH und Holding, unterstrich in seinem Vortrag die elementare Bedeutung von Portalen im Internet. Für ihn bedeuten Portallösungen eine Art "Grundinfrastruktur-Versorgung", vergleichbar der Gas-/ Wasser-Versorgung. Internet-Portale erfordern jedoch auch die Einführung zusätzlicher Dienste, für die Finanzdienstleister bedeutet das, neue Kunden- und Erlösquellen zu erschließen sowie Geschäftsbeziehungen auszuweiten.
Als Beispiel für E-Services nennt Harms myEFA.com (EFA= Electronic Financial Advisor, ein Dienst von Hewlett Packard), ein automatisches Portfolio-Beratungssystem, dass beispielsweise bei Zinsveränderung mit einer Nachricht oder Portfolio-Umschichtung reagiert. Über die Perspektiven der europäischen Bankenlandschaft vor dem Hintergrund des E-Business meinte Dr. Cornel Wißkirchen, Partner der Bain & Company, dass der wirkliche Paradigmenwechsel noch ausstehe. Es fehle an der Verwertbarkeit von strategischen Erfolgen und das technische Potenzial werde noch nicht voll ausgeschöpft. Bisher werde nur ein Bruchteil der Website-Besuche in Abschlüsse umgesetzt. Trotzdem müssen die Banken handeln, wenn sie wettbewerbsfähig bleiben wollen.
"Clicks and bricks": auf diese Kurzform für das Banking der Zukunft bringt Thomas K. Escher, Generaldirektor, Leiter Geschäftsbereich Informatik der UBS, seine Vision. "Clicks" stehen dabei für das zukünftige Wachstum und für den Einsatz neuer Technologien, die gewaltige Produktionsfortschritte ermögliche. "Bricks" definiert Escher als das solide Fundament der klassischen Bank, die sich in Beratungskompetenz und Vertrauen widerspiegeln. Die virtuelle Bank sieht er daher als Ergänzung, nicht aber als Ersatz für die traditionelle Universalbank. Persönliche Beratung und das Vertrauen des Kunden stünden weiterhin im Vordergrund. Das Angebot der Banken sieht Escher in einer maßgeschneiderten umfassenden Finanzberatung: "Kundennutzen schaffen durch Wissensschaffung".
Fotos zur Veranstaltung: www.newsaktuell.de (unter obs-Bilder)
Ansprechpartner für die Redaktion: Handelsblatt-Veranstaltungen, c/o EUROFORUM Deutschland GmbH, Steffi Moltrecht, Tel.: +49 221. 96 86-569, Email: presse@euroforum.com
Original-Content von: EUROFORUM Deutschland GmbH, übermittelt durch news aktuell