Mehr Mut und Wettbewerb im Gesundheitswesen. Pressebericht zur Handelsblatt-Konferenz. Gesundheitsreform - Herausforderung für GKV und PKV. (30. Juni - 1. Juli 2003, Berlin)
Düsseldorf (ots)
Berlin, Juni 2003. "Nicht über Zwang, sondern über ökonomische Anreize" will die rot-grüne Koalition den nötigen Systemwechel im Gesundheitssystem vorantreiben. Franz Knieps (Bundesministerium für Gesundheit und Soziale Sicherung) stellte im Rahmen der Handelsblatt- Jahrestagung "Gesundheitsreform - Herausforderungen der GKV und PKV" (30.Juni und 1. Juli 2003, Berlin) die Eckpunkte der geplanten Gesundheitsreform vor. Vor den rund 120 Teilnehmern betonte Knieps den Wettbewerb der Kassen untereinander. "Sinnvoll wären Kassenfusionen für mehr Wettbewerb, aber keine Elefantenhochzeiten, die letztlich gegen den Wettbewerb sind." Knieps forderte eine Modernisierung der Kassenärztlichen Vereinigung.Er sieht ihre zukünftige Funktion in mehr Qualitätskontrolle und Unternehmensberatung für Ärzte. Die Gewerkschaftsfunktion der Kassenärtzlichen Vereinigung solle aber erhalten bleiben. Mehr Wettbewerb im Gesundheitssystem postulierte er auch in der Arzneimitteldistribution durch die Versandapotheken. Apotheken sollten sich bei "der Preisregelung nicht als Produktvermarkter, sondern zunehmend als Dienstleister verstehen". Knieps betonte den nötigen Beitrag der Gesundheitsreform für den Arbeitsmarkt. Darum müsse "es mehr Entlastung für die Arbeitgeber als für die Versicherten geben". Die Maßnahmen zur steuerlichen Unterstützung des Gesundheitssystems durch die Tabaksteuer und die Übertragung der Kosten des Krankengeldes auf die Versicherten verteidigte er. Versicherte allerdings, die sich auf das Hausarztmodell, das Disease- Management-System einließen, würden auch entsprechend entlastet. Knieps bewertete die geplante Gesundheitsreform nicht als "fundamentalen Systemwechsel" aber als "eine praxisnahe Weiterentwicklung der Systeme."
Das Kernproblem der deutschen sozialen Sicherungssyteme verdeutlichte Prof. Dr. Bernd Hof (International School of Management, Dortmund). "Desmoskopen wurden nicht erhört", die "Brüchigkeit der demographischen Entwicklung" sei nicht ernst genug genommen worden. Als wesentlichen Faktor für eine Verbesserung der dramatischen demoskopischen Entwicklung nannte Hof eine moderne Frauenpolitik, die es ermögliche auch Frauen gleichberechtigt am System partizipieren zu lassen. Zudem plädierte er für eine sinnvolle Migrationspolitik, die Deutschland von einem Durchreiseland zu einem attraktiven Bleibeland für Migranten umbaue. Hof bewertete die geplante Gesundheitsreform sehr kritisch, da sie demographisch keine nachhaltigen Verbesserungen bringen werde. Letztlich könne nur ein Anstieg der Geburtenzahlen auf französisches Niveau die demographische Entwicklung nachhaltig verbessern.
Für Prof. Dr. Jürgen Wassem (Universität Duisburg-Essen und Mitglied der Herzog-Kommission) "beseitigt das geplante Gesundheitssystems-Modernisierungs-Gesetz schon einiges, aber es ist nicht weitreichend genug". In den drei großen Herausforderungen - Finanzierung, Leistungsumfang und Steuerung wäre man zwar einen kleinen Schritt weiter, allerdings "müssen wir Mut beweisen" um Kosteneffektivität und Leistungsabbau voranzutreiben. Mehr Wettbewerb und ein wirklicher Systemwechel in der Finanzierung zu einer individuellen Kapitalabdeckung sind für Wassem weitere Schritte zur Reformierung des Systems.
Josef Beutelmann (Barmenia Krankenversicherung) erläuterte das derzeitige System von PKV und GKV und die Möglichkeiten die Leistungen der GKV durch Zusatzversicherungen zu ergänzen. Er kritisierte, dass derzeit eine Zusammenarbeit von GKV und PKV rechtlich nicht möglich sei. Durch die Änderung des § 194 SGB V soll die Zusammenarbeit bei den Ergänzungsleistungen ermöglicht werden. Allerdings sieht Beutelmann eine Zusammenarbeit von PKV und GKV noch sehr kritisch, würde doch der Wettbewerb dadurch verschoben. Die vorgeschlagenen Ausgliederungen von Leistungen aus der GKV könnten zwar neue Potenziale in der Zusammenarbeit von GKV und PKV bringen, insgesamt aber sieht Beutelmann "nach wie vor keine Nachhaltigkeit im Rürup-Konzept".
Dr. Rolf Hoberg (AOK-Bundesverband) betrachtete den Entwurf zum GMG ebenfalls kritisch. In vielen Punkten stimmt der AOK-Bundesverband zwar mit den Vorschlägen überein, allerdings bewertete Hoberg die Einführung eines "Deutschen Zentrums für Qualität in der Medizin" eher ablehnend. "In der Sache ist es zwar richtig, aber es sollte auf mittlerer Kompetenzebene eingeführt werden" und nicht noch mehr Bürokratie von oben schaffen. Insgesamt befürwortete Hoberg die Einführung des Qualitätsmanagements und die Pflicht zur ärztlichen Fortbildung. Dem Hausarztsystem stimmte er nur bedingt zu. "85 Prozent der Patienten gehen zuerst zum Hausarzt". "Die Hoffnung der Regierung durch Pauschalierung das System wirtschaftlicher zu machen, ist eine Vorstellung, die nicht bewiesen ist". Mit Spannung erwartet Hoberg die Einführung der Honorarverhandlungen mit Ärzten und GKV.
Klaus-Detlef Dietz (PKV-Verband) stellte kritisch fest, dass "es die große "Gesundheitsreform nicht gibt, sondern vielmehr eine kontinuierliche Veränderung einzelner Segmente." Die bis jetzt gemachten Vorschläge hätten nichts wirklich Neues gebracht. Die sogenannte "Bürgerversicherung" der Rürup-Kommission sei bereits vor Jahren als "Volksversicherung" diskutiert worden. Das Ziel der Regierung ,das Gesundheitssystem zu erneuern, mehr Gerechtigkeit und Nachhaltigkeit einzuführen, bewertete Dietz als gescheitert. Schließlich seien trotz Beitragssicherungsgesetz die Beiträge weiter gestiegen. Auch die Anhebung der Versicherungspflichtgrenze hätte letztlich keine positiven Impulse für die GKV gegeben, allerdings die PKV stark geschädigt. Das ein kapitalgedecktes System letztlich effiktiver arbeiten könnte, zeigte für Dietz das Beispiel der Privaten Pflegeversicherung. Besonders die Vorschläge, weiter Zuleistungen auszugliedern, bewertete er kritisch. Es sei verfassungswidrig, wenn die Zusatzleistungen nur von der GKV angeboten würden. Die Einführung einer Zusatzversicherung befürwortete Dietz "als wichtigen Beitrag zum nachhaltigen Umbau der Systeme". Allerdings betonte er, dass ein gerechter Wettbewerb zwischen GKV und PKV möglich sein müsste.
Die durchaus unterschiedlichen Positionen der Ärtzeschaft zu den Reformplänen stellte Prof. Dr. Klaus-Dieter Kossow (BDA- Hausärtzeverband) vor. Besonders die Einführung einer kontrollierenden Behörde würde das Vertrauen der Menschen in ihren Arzt schädigen. "Qualtität ist Sache der Ärzte". Kossow führte aus, dass viele Vorschläge der Regierung besser durch eine freiwillige Kontrolle der Ärtze zu machen seien, als durch von oben gesteuerte "Staatsmedizin".
Heftig wurde die Podiumsdiskussion geführt. Dr. Hoberg, Prof. Klaus- Dieter Kossow, Dr. Friedhlem Repnik (Sozialministerium des Landes Baden-Württemberg), Franz Knieps (Bundesministerium für Gesundheit und Soziale Sicherung) sowie Klaus-Detlef Dietz und Prof. Dr. Jürgen Wassem verteidigten ihre Positionen gegenüber den Vorschlägen. Einigkeit erreichte man letztlich darin, dass für eine effektive Erneuerung der Systeme noch viel radikalere Schritte nötig seien.
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