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Westfalen-Blatt: Das WESTFALEN-BLATT (Bielefeld) zum Thema Pflege

Bielefeld (ots)

Man täusche sich nicht, das Thema Pflege hat
eine dramatische Note, auch wenn vor allem die Politiker sich 
bemühen, den Bericht des Medizinischen Dienstes zu entdramatisieren. 
Die Pflege und mit ihr die Pflegeversicherung ist ein Langzeit-Thema,
das uns noch einige Jahrzehnte begleiten wird und zwar durchaus mit 
hoher Dringlichkeit. Deshalb sollte die Politik auch nicht zu sehr 
beschwichtigen, sondern das allgemeine Bewusstsein für die 
Problematik schärfen - vor allem bei den jüngeren Generationen, sie 
werden Lösungen finden müssen.
Drei Gründe sind es vor allem, die das Thema zum Dauerthema machen. 
Da ist zum einen die demographische Entwicklung. Wir werden älter. 
Schon jetzt ist Deutschland das älteste Land Europas. Das liegt nicht
nur an den fehlenden Kindern, sondern auch an der sich verlängernden 
Lebenszeit. Momentan wächst sie statistisch jedes Jahr um drei 
Monate.
 Es ist einerseits schön, dass wir länger leben, aber mit dem Alter 
kommen mancherlei Beschwerden und auch wenn die Medizin technisch 
mithält oder sich gar verbessert: Die größer werdende Masse an Alten 
erhöht die Kosten für die Kassen.
Schon heute geht mehr als die Hälfte aller Gesundheitskosten auf das 
Konto der Über-60-Jährigen. Heute haben wir zwei Millionen 
pflegebedürftige Menschen, in 20 Jahren werden es drei Millionen 
sein. Besonders dramatisch ist die Lage bei den über 85-jährigen. 
Ihre Zahl wird sich sogar verfünffachen. Die Kranken- und 
Pflegekassen werden das nicht mehr lange schultern können.
Ein zweiter Grund ist das Personal. Schon heute lebt Deutschland im 
Pflegenotstand. Das Personal wird zu gering bezahlt, das macht den 
Beruf nicht sehr attraktiv. Ohne die Zivildienstleistenden wäre die 
Katastrophe längst da. Schon deshalb sollten es sich die Politiker 
drei- und viermal überlegen, ob sie die Wehrpflicht abschaffen. Ohne 
Ersatz wird das nicht gehen. Eine ausgebildete Pflegekraft kostet im 
Monat 2500 bis 3000 Euro. Das kann sich keine normale Familie 
leisten. Die Schwarzarbeit mit ausländischen Krankenschwestern wird 
zunehmen.
Und der dritte Grund ist einfach: Pflege bedeutet Zuwendung. Ohne 
menschliche Pflege werden wir emotional verarmen. Der Pflegeroboter, 
den die Japaner ausprobieren, kann nicht mehr leisten als das 
Pflegemotto überforderter Kräfte in Altenheimen: Satt, sauber, 
beschäftigt. Das hat mit der Würde im Alter nichts zu tun.
Die Pflege wird zum Ernstfall für die solidarische Qualität der 
Gesellschaft. Heinrich Böll formulierte das so: »Die schlechteste 
christliche Gesellschaft ziehe ich noch tausendmal der besten 
heidnischen Gesellschaft vor. Denn in keiner wirklich heidnischen 
Gesellschaft hat es je Platz gegeben für Waisenkinder, psychisch 
Kranke, Arme und Behinderte.« Wenn wir eine solidarische Gesellschaft
bleiben wollen, dann müssen wir uns auch um die Pflege und ihre 
Menschlichkeit mehr Gedanken machen und nicht nur beschwichtigen.

Pressekontakt:

Rückfragen bitte an:
Westfalen-Blatt
Nachrichtenleiter
Andreas Kolesch
Telefon: 0521 - 585261

Original-Content von: Westfalen-Blatt, übermittelt durch news aktuell

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