Westfalen-Blatt: Das WESTFALEN-BLATT (Bielefeld) zu Beckstein
Bielefeld (ots)
Nach den Ministerpräsidenten Max Streibl (1988 bis 1993) und Edmund Stoiber tritt heute mit Günther Beckstein ein markantes und schlachterprobtes Streitross an die Spitze der Bayern, wie ihn die Bajuwaren seit Franz Josef Strauß (1978 bis 1988) nicht mehr gesehen haben. Vieles spricht dafür, dass der schwerere Degen statt des leichten Floretts, geführt von sicherer Hand wieder in die politische Streitkultur Eingang findet. Dennoch muss niemand eine Rückkehr zum alten Nord-Süd-Konflikt fürchten. Zu sehr haben sich die politischen Gewichte im wiedervereinigten Deutschland verschoben, als dass das einst unter Strauß gepflegte allsonntägliche Ritual auf der Achse München-Bonn auf einer neuen Linie direkt ins preußische Mutterhaus Fortsetzung fände. Der künftige Landesvater wird in seiner barocken Amtsführung, mit ordnungspolitischen Akzenten und mitunter diebischer Freude an klarer Aussprache Stoibers Hektik ebenso vergessen machen wie Streibls biederen Regionalismus. Beckstein hat die Zügel im Griff und weiß, was in jeder bayerischen Moschee gepredigt wird. Mitte der 90er Jahre scheute er sich nicht, Republikaner wie PDS vom Verfassungschutz beobachten zu lassen. Mit dem Wegfall der Grenzkontrollen zu Osteuropa wird er 2008 die doppelte Schleierfahndung durchziehen, egal was Berlin oder Brüssel klagen Im Konzert der 16 Ministerpräsidenten wird der Franke auf dem Bayern-Thron die süddeutsche Stimme hörbarer bis in höchste Lagen klingen lassen. Inzwischen greift Beckstein über das vertraute Sicherheits-Terrain hinaus. Auf dem Feld der Sozialpolitik unterstützt er scheinbar kollegial Kurt Becks Vorstoß zur längeren Zahlung von Arbeitslosengeld I. Raffiniert: Der Keil ins andere Lager wird tiefer getrieben, ohne dass der Unionsmann bei den Seinen linker Umtriebe verdächtig würde. Stützt er doch nur, was Jürgen Rüttgers als Konsequenz aus seiner Lebenslügen-Deutung schon lange fordert. Das SPD-interne Gerangel könne eine Belastung für die Koalition werden, bemerkte Beckstein gestern. Zunächst müsse aber die SPD ihre Position klären, retournierte er der Ball. Man gab sich in München gesprächsbereit für Änderungen bei der Bezugsdauer - jedoch nur orientiert an der Zahl der Beitragsjahre. Das ist die Rüttgers-Laumann-Linie und zeigt, wo es künftig außerhalb Berlins lang geht. Nebenbei: Trotz aller Affinität zu Strauß wird das Beckstein-Bayern auch deshalb nicht zur alten Schlachtordnung zurückkehren, weil die Strategie Laptop und Lederhose an Schlagkraft verloren hat. Längst zeigen sich die ehemaligen SPD-Länder Hessen und Nordrhein-Westfalen auch auf der Siegerstraße. Rüttgers hat in seiner ersten Regierungserklärung 2005 als oberstes Ziel vorgegeben, Bayern auf möglichst vielen Feldern zu übertrumpfen. Es sieht so aus, als könnte das schneller gelingen als gedacht. Gerade deshalb tut den Bayern eine Führungsfigur gut, die ihnen den ersten legitimen Erben ihres unvergessenen Franz Josef Strauß beschert.
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