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Westfalen-Blatt: Das WESTFALEN-BLATT (Bielefeld) zu Belgien

Bielefeld (ots)

Gut so. König Albert II. ist doch nicht der
einzige oder gar letzte Belgier. Einige Zehntausend demonstrierten 
gestern in Brüssel gegen die Unfähigkeit der Politiker, sich endlich 
zusammenzuraufen.
 Das Land ist seit 161 Tagen ohne neue Regierung. Die Streitigkeiten 
zwischen Flamen und Wallonen lähmen alles. Die gestrige 
Großdemonstration wohlmeinender Staatsbürger war deshalb ein 
Ordnungsruf erster Güte.
Am Donnerstag waren zum ersten Mal Rufe zur Teilung des Landes 
unüberhörbar skandiert worden. Ausgerechnet am »Tag des Königs« 
forderten flämische Extremisten in Sprechchören bei der Vorfahrt der 
Königsfamilie die Teilung ihres Landes. Schon die Frage, wie das 
möglich war, sorgt für neue Unbill. De facto sind einige Minister und
Regionalpolitiker kaum besser als der Mob vom rechtsradikalen »Flams 
Belang« und andere Krawallmacher. Mal wird ordnungsgemäß gewählten 
Bürgermeistern die Ernennung verweigert, weil sie Wahlaufrufe an 
frankophone Bürger in französischer Sprache versandt hatten. Ein 
anderes Mal geht es an Wahlkreise, Pfründe oder Zuständigkeiten. Das 
veranlasst die jeweils schwächere Seite, eine von oft mehreren 
Blockademöglichkeiten zu nutzen. So gesehen ist der aktuelle 
Stillstand auch das Ergebnis seit Jahren ausufernder Kompromisspraxis
und übertriebenen Minderheitenschutzes.
 Gewonnen hatte die Wahl Mitte Juni der Flame Yves Leterme. 
Theoretisch müsste er nur die Christdemokraten und Liberalen beider 
Seiten zusammenführen. Praktisch ist selbst der jüngste 
Vermittlungsversuch von König Albert II. fehlgeschlagen. 
Verfassungsgemäß hat der Monarch kaum Möglichkeiten. Er kann eben nur
an den guten Willen appellieren.
Völlig außer Acht gelassen fühlt sich unterdessen die dritte 
belgische Sprachengruppe, 70000 Deutsche in der Region Eupen. Sie 
haben sich bestens eingerichtet mit einem eigenen Regionalparlament 
und zahlreichen Sonderrechten bis zu einem unabhängigen Schulwesen. 
Rheinländer, Westfalen oder Lipper können da nur staunen.
Schon spekulieren einige Niederländer über den Anschluss von sechs 
Millionen Flamen mit hoher Steuerkraft. In der Tat ist eine Trennung 
nicht mehr vollkommen ausgeschlossen.
 Angst vor dem eigentlich Undenkbaren dürfte gestern manche Belgier 
wachgerüttelt und veranlasst haben, sich am Protest gegen die 
Regierungskrise und für die nationale Einheit zu beteiligen.
Ratlosigkeit herrscht auch bei den Nachbarn. Wirklich helfen können 
sie nicht. Schon gar nicht sollten sie das Ende Belgiens herbeireden 
oder dummdreiste Gebietsansprüche anmelden.
Besonders pikant: Nicht einmal die Rezepte der Europäischen Union für
die Stärkung der Regionen erweisen sich als brauchbar. Ausgerecht in 
einem Stamm- und Gastgeberland der Europäischen Gemeinschaft erlebt 
die Gemeinschaftsidee ihr Waterloo - das übrigens zur Wallonie 
gehört.

Pressekontakt:

Westfalen-Blatt
Nachrichtenleiter
Andreas Kolesch
Telefon: 0521 - 585261

Original-Content von: Westfalen-Blatt, übermittelt durch news aktuell

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