Westfalen-Blatt: Das WESTFALEN-BLATT (Bielefeld) zu Sarkozy
Bielefeld (ots)
Es ist vollbracht, der Zeitgeist hat uns geschafft: Das Unkonventionelle, sei es menschlich und moralisch auch zwiespältig-schräg, halbseiden oder gar anrüchig, gilt heutzutage in praktisch allen Bevölkerungskreisen als gesellschaftsfähig. Denn nicht mehr an dem eigentlichen Sündenfall selbst nimmt die Öffentlichkeit Anstoß und auch nicht an den seelischen Verletzungen, die Ehebrecher ihren Partnern zufügen. In Zeiten einer seltsam biegsamen »Moral der Fairness« kommt es offenbar nur noch darauf an, wie geschickt der moderne Sünder »die Sache« zelebriert - entweder ganz diskret oder eben so schlagzeilenwirksam, wie man es als Politikschaffender seinem Wählerpublikum und der Pressemeute schuldig zu sein glaubt. Vor kurzem noch richteten sich die Kameras wochenlang begierig auf die Unionsgrößen Horst Seehofer und Günter Oettinger. Und auch Christian Wulff, gleichfalls Christdemokrat, wandelte auf Freiersfüßen und sagte der langjährigen Ehepartnerin und Mutter seines Kindes ade. Nun macht - auf demselben Felde - kein Geringerer als Frankreichs Staatspräsident Nicolas Sarkozy mächtig von sich reden. Englands Ex-Premier Tony Blair zeigte sich davon bei seiner Paris-Visite am Wochenende dermaßen beeindruckt, dass er - im Blick auf Sarkozys neue Herzensdame und fast-oder-womöglich-schon-längst-frischangetraute dritte Ehefrau Carla Bruni - leicht frivol witzelte: Dieser fesche Nicolas Sarkozy sei bewundernswert »energiegeladen, und zwar auf allen Gebieten«. Doch verwechseln immer mehr Politiker ihren Wirkungsbereich nicht schon längst mit einer riesigen Bühne, auf der sie ihre Schautalente und selbst Persönliches und Privates vermeintlich nach Belieben ausleben können? Können sie bei so viel Ablenkung ihre Kernaufgaben überhaupt noch ausreichend erfüllen und den berechtigten Erwartungen ihrer Bürger Genüge tun? Auch Sarkozys jüngste Auftritte in der Dauerkrisenregion Nahost nähren da doch beträchtliche Zweifel. Und sie werden gewiss nicht gemindert durch die Vorstellung, dass ausgerechnet das, gelinde gesagt, schillernde Szene-Girl Carla Bruni binnen kurzem gar zur Ersten Dame Frankreichs aufsteigen wird. Denn gleich dutzendweise werden ihr diverse Kurzzeitliebschaften nachgesagt; darunter Bettaffären mit den Show-Giganten Eric Clapton und Mick Jagger. Lediglich zwei aus der auffallend langen Reihe illustrer Namen, so heißt es, habe Carla Bruni dementiert. Und wiederholt ließ sie sich aufreizend anzüglich so zitieren: »Ich schätze Stärke und Männlichkeit. Aber sobald ich sie habe, brauche ich sie nicht mehr.« Braucht die Grande Nation ein solches Präsidentenpaar? Ein kleines »PS«, mit Verlaub: Man stelle sich nur einmal vor, die Polit-Großdarsteller Nicolas Sarkozy und Gerhard Schröder wären Anno 2008 Seite an Seite in Europa und der Welt unterwegs. Aber das wäre dann wieder eine andere Geschichte.
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