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Westfalen-Blatt

Westfalen-Blatt: Das Westfalen-Blatt (Bielefeld) schreibt zu Meinungsumfragen vor den Wahlen:

Bielefeld (ots)

Hamburg wählt am 24. Februar einen neuen Senat -
und die Meinungsforscher haben Hochsaison. »Keine klaren Verhältnisse
in Hamburg« - so die Vorhersage für das voraussichtliche 
Fünf-Parteien-Parlament. Demoskopen liefern die Daten, die vor allem 
das Fernsehen veröffentlicht - und die dann in vielen weiteren Medien
verbreitet werden.
In Zeiten, in denen zuweilen von »Weimarer Verhältnissen« die Rede 
ist, sollten in erster Linie die auftraggebenden TV-Sender 
sorgfältiger und vorsichtiger mit den Ergebnissen aus 
Meinungsumfragen umgehen - zumal die von den Demoskopen so genannten 
Toleranzwerte (Abweichungen vom tatsächlichen Resultat) bis zu 2,5 
Prozent betragen können, also angesichts der derzeit knappen 
Mehrheitsverhältnisse wahlentscheidend wären.
Können Umfragewerte durch Berichterstattung und Interpretation den 
Wahlausgang beeinflussen? Spätestens seitdem TV-Duelle zur 
Mediendemokratie gehören, ist dies anzunehmen.
Nicht zu unterschätzen sind demoskopische Phänomene wie der 
»Last-Minute-Swing« und der »Band-Waggon-Effekt«, wonach sich die 
Unentschlossenen den nach Umfragewerten wahrscheinlichen Gewinnern 
anschließen.
Seriöse Demoskopen wehren sich dagegen, dass ihre Momentaufnahmen als
Prognosen verkauft werden. Aber sie füttern die Fernsehsender mit 
Daten und spielen das Spiel mit, weil die Branche auch von der 
Wahlberichterstattung lebt. Jedenfalls scheint das Schmerzensgeld 
hoch genug dafür zu sein, dass die Schuld an »falschen« Vorhersagen 
(wie bei der Bundestagswahl 2005) den Meinungsforschern gegeben wird 
und nicht den Journalisten, die marktschreierisch mit Stimmungen 
handeln. Dazu meint Forsa-Chef Manfred Güllner: »Wir haben nie 
gesagt, wir könnten Prognosen zu einer Wahl liefern. Das ist erst am 
Wahlabend möglich.«
Entscheidungen fallen kurzfristiger, der Wähler wird wechselhafter 
und wählerischer - also können sich spontane Kampagnen auch noch 
unmittelbar vor der Wahl in Prozenten auszahlen. Oder eben nicht, wie
Roland Kochs Wahlkampf in Hessen zeigte.
Die Ursache für die wachsende Unentschlossenheit sieht Matthias Jung 
von der Forschungsgruppe Wahlen in der zunehmend erodierenden 
Gesellschaft, in der Familie, Kollegen und Freunde immer weniger 
Einfluss auf die Wahlentscheidung einer Person haben.
Ein Verbot der Veröffentlichung von Umfrageresultaten in der 
Vorwahlphase, wie in Frankreich vor zehn Jahren einmal vorgeschlagen,
hätte im Internetzeitalter der schnellen Informationen keine Chance. 
Jede von wem auch immer in Auftrag gegebene Umfrage wäre binnen 
Stunden ins Netz durchgesickert.
Umfrage-Ergebnisse sollten nicht als tatsächliches, sondern 
allenfalls als wahrscheinliches Abstimmungsverhalten transportiert 
werden. Bei jeder »Sonntagsfrage« müsste man dies viel stärker 
betonen. Alles andere läuft unter unseriöser Stimmungsmache.

Pressekontakt:

Westfalen-Blatt
Nachrichtenleiter
Andreas Kolesch
Telefon: 0521 - 585261

Original-Content von: Westfalen-Blatt, übermittelt durch news aktuell

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