Westfalen-Blatt: Das WESTFALEN-BLATT (Bielefeld) zu Liechtenstein
Bielefeld (ots)
Man vergreift sich nicht an Kleineren: Was die meisten im Sandkasten lernen, scheinen Kurt Beck, Elmar Brok und andere Großkopfete nie gehört zu haben. Der SPD-Chef hielt dem souveränen Zwergstaat von nebenan »Raubrittertum« vor. Und der große Außenexperte der europäischen Christdemokraten sprach von »Sanktionen« und »Zöllen«, als wenn das die letzte Warnung vor dem Aushungern wäre. Nanu, ziehen der Ritter aus der Pfalz und der Knappe von der Sparrenburg schon morgen gen Vaduz? Immerhin hatte auch das dortige Bank- Pardon! Fürstenhaus seinerseits »deutsch-teutonische« (?!) Kraftmeierei und Hehlerei im großen Stil der Übermacht im Norden vorgehalten. Angesichts solch grotesken Kampfgeschreis schienen gestern 60 Minuten Gesprächszeit im Kanzleramt bei weitem nicht ausreichend für die Rückkehr zum ordentlichen Umgang miteinander. Weit gefehlt. Bundeskanzlerin Angela Merkel und Liechtensteins Regierungschef Otmar Hasler scheint genau das gelungen zu sein. In knappen Hauptsätzen sagte Merkel anschließend vor der Presse, was sie von Liechtenstein erwartet. Das Betrugsbekämpfungsabkommen, die EU-Geldwäsche-Richtlinie und die Eindämmung schädlichen Steuerwettbewerbs sollen zügig umgesetzt werden. Dabei müsse sich Liechtenstein so flexibel zeigen wie gegenüber den USA. Das saß. Merkels Staatsgast konnte nur versichern, man werde das Schengen-Abkommen unterzeichnen. Auch war Otmar Hasler jede Rechtfertigung seines eigenen Stiftungsrechts entfallen. Alle wissen schließlich, dass es um nichts anderes geht als besonders raffinierte Geldverstecke. Der Regierungschef konnte während der zehnminütigen Express-Pressekonferenz nicht ein einziges Mal lächeln. Wie sollte er auch, wo Merkel grimmig über ihn wachte? Halten wir fest: Die dringend notwendige verbale Abrüstung haben die zwei ungleichen Partner geschafft, auch das Feldgeschrei der anderen müsste langsam verhallen, aber im Kern ist noch nichts erreicht. Fragen gibt es auch an die deutsche Adresse zuhauf. Wollen wir anderen verbieten, kaum Steuern zu verlangen? Im Wahlkampf 2005 liebäugelte Merkel noch mit radikalen Steuersenkungen. Damals war die Slowakei mit 19 Prozent Staatsquote der große Hit. Danach kam Merkel mit exakt dem gleichen Satz - allein für die Mehrwertsteuer. Kann es sein, dass die USA im Umgang mit Liechtenstein einfach härter verhandelten als die Dauerkompromissler von der EU? Warum gilt in Österreich in Sachen Zinsabschlagsteuer Anonymität, in Deutschland aber nicht? Außerdem: Kursgewinne auf Aktien sind hierzulande von 2009 an uneingeschränkt steuerpflichtig. Und warum nicht in Luxemburg, Belgien, Schweiz und Österreich - den »üblichen Verdächtigen« im europäischen Geld-versteck-Dich? Leichtes Spiel also für Liechtenstein, San Marino und Co. Merke: Die ganz Kleinen mogeln sich gern durch.
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