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Westfalen-Blatt: Das WESTFALEN-BLATT (Bielefeld) zum Besuch des Dalai Lamas

Bielefeld (ots)

Außenminister Frank-Walter Steinmeier nennt es
»Diplomatie«. In Wirklichkeit aber ist das Verhalten der deutschen 
Regierung im Olympiajahr 2008 gegenüber dem Dalai Lama beschämend und
fast schon beleidigend. Niemand außer der Ministerin für 
wirtschaftliche Zusammenarbeit, Heidemarie Wieczorek-Zeul (SPD), will
sich mit dem religiösen und politischen Führer der Tibeter treffen. 
Und selbst die »rote Heidi« legt noch - vermutlich unter dem Druck 
von Frank-Walter Steinmeier und ihrem SPD-Parteichef Kurt Beck - Wert
auf die Feststellung, dass es sich nur um eine »private« Begegnung 
handele.
Als wäre der Dalai Lama ein Verbrecher oder ein Terrorist vom Schlage
der Hamas-Schergen! Das Gegenteil ist wahr: Trotz jahrzehntelanger 
Erfolglosigkeit hält der Friedensnobelpreisträger auch im 58. Jahr 
der chinesischen Okupation am gewaltlosen Weg zu einer kulturellen 
Autonomie fest.
Dabei könnten die Tibeter mit mindestens dem gleichen Recht wie 
Palästinenser, Slowenen, Kosovo-Albaner oder Osttimoresen ebenso gut 
einen eigenen Staat fordern. In Sprache, Religion und Kultur haben 
sie mit den Chinesen so wenig oder noch weniger gemeinsam wie 
beispielsweise mit den Bewohnern Nordindiens.
 Historisch gesehen war Tibet bis zum Einfall der Mongolen im Jahr 
1240 selbstständig. Auch danach behaupteten die Könige und später die
Lamas stets ein großes Maß an Autonomie gegenüber den Mongolen, 
Chinesen und schließlich gegenüber den Briten.
Entgegen seiner Rolle als Religionsführer tritt der Dalai Lama jedoch
weiter als Realpolitiker auf. Er weiß: Politische Unabhängigkeit wird
die Kommunistische Partei Chinas niemals gewähren. Die Zeit arbeitet 
gegen die Mönche. Während ihnen im Exil die Hände gebunden sind, 
stößt der passive Widerstand im Land selbst an seine Grenzen. Im 
Alltag muss sich die Bevölkerung ohne ausländische Unterstützung auf 
irgendeine Weise mit den Besatzern arrangieren. Die gezielte 
Ansiedlung von Han-Chinesen auf dem Hochland des Himalaya erhöht noch
den Druck.
Es ist nur folgerichtig, dass die Tibeter die Lage im Olympiajahr 
ausnutzen. Wann wenn nicht jetzt soll mit Aussicht auf Erfolg 
verhandelt werden? Peking hat zum Glück ein Interesse daran, dass die
Investitionen in die Olympischen Spiele nicht durch eine 
Negativberichterstattung erfolglos bleiben.
Welches Interesse aber haben deutsche Politiker, der Forderung 
Pekings nach Isolation des Dalai Lama zu folgen?
In der schlechten Tradition von Kanzler Gerhard Schröder, in dessen 
Regierungszeit die Menschenrechte zu einem Instrument von 
Geschäftspolitik und Parteitaktik verkommen sind, kann es Steinmeier 
offenbar weiter nicht ertragen, dass die Regierungschefin vor einiger
Zeit am Außenminister vorbei ein Zeichen setzte. Ihr Treffen mit dem 
Dalai Lama im Kanzleramt war auch »Diplomatie« - aber eine, die mit 
offenem Visier für eine gute Sache eintritt.

Pressekontakt:

Westfalen-Blatt
Nachrichtenleiter
Andreas Kolesch
Telefon: 0521 - 585261

Original-Content von: Westfalen-Blatt, übermittelt durch news aktuell

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