Westfalen-Blatt: Das Westfalen-Blatt (Bielefeld) kommentiert:
Bielefeld (ots)
Völlig durchgeknallt: Am Tag 20 ihrer Offensive gegen die Hamas im Gazastreifen haben die israelischen Streitkräfte Maß und Ziel total verloren. Sie beschießen ein UN-Depot mit 700 Schutz suchenden Zivilisten, treffen ein Krankenhaus mit Phosphorbomben und lassen das Pressezentrum von Gaza-Stadt nicht länger unberührt. Die Panzer rücken in die mit verängstigten Menschen überfüllte Stadt vor. Gut möglich, dass sie in der kommenden Nacht schon das Kommandozentrum der Hamas unter den Kellern des Schifa-Hospitals unweit der Küste in die Zange nehmen. Dort wird der seit Tagen nicht mehr gesehene Hamas-Chef Ismail Hanija vermutet. Der Bunker ist zu knacken, die Baupläne liegen in Tel Aviv, die Israelis haben ihn während der Besatzungsjahre selbst gebaut. Seit Tagen sei jede Nacht noch schlimmer verlaufen als die vorherige, berichten die Menschen. Die stärkste, aber nicht unschlagbare Armee des Nahen Ostens dreht voll auf. Unverkennbar wird der Druck extrem erhöht. Es gilt, Fakten zu schaffen, bevor die Waffen ruhen. Die Diplomaten in Kairo halten ein baldiges Ende des Kriegszugs für möglich. Nur der Hamas fehlt noch ein Konzept, das es ihr erlaubt, das Gesicht zu wahren. Die Bombenbastler, Hasspropheten und Verfechter der Hinrichtung am Kreuz haben verloren, sie wissen es nur noch nicht. Nichts wäre schlimmer für sie, als wenn Hanija wie zuletzt Saddam Hussein vor den Kameras der Welt aus seinem Versteck gezerrt würde. Israel könnte ein Interesse daran haben, den allerletzten Schritt nicht zu tun. Darauf setzen die Friedensvermittler. So wie Jassir Arafat nie getötet wurde, könnte man den militärisch wie politisch geschwächten Hamas-Führer ebenfalls schonen. Lebend und gedemütigt ist er vermutlich wichtiger als tot und gefeiert. Bundesaußenminister Frank-Walter Steinmeier, der innerhalb weniger Tage zum zweiten Mal am Brennpunkt des Geschehens ist, redet nicht nur vor den Konferenzräumen einer »humanitären Waffenruhe« das Wort. Seine Vorschläge zum Grenzmanagement zwischen Gaza und Ägypten haben offenbar Eindruck gemacht. Wenn Israel jetzt das Feuer einstellt, hätten die Hamas-Führer Gelegenheit die sicheren Bunker zu verlassen und sich selbst ein Bild der ungeheuren Schäden zu machen. Das überzeugt mehr als alles andere. Die Hamas-Exilregierung im sicheren Syrien will davon immer noch nichts wissen und vertritt, zumindest nach außen, weiter die harte Linie. Deren Endziel bleibt, unisono mit den Geldgebern in Teheran, die totale Vernichtung des Staates Israel. Hamas hofft, eine Feuerpause von lediglich einem Jahr aushandeln zu können. Wahrscheinlicher ist, dass Israels Forderungen durchdringen: Unbefristete Waffenruhe, Zerstörung aller Tunnel und strengste Vorkehrungen gegen die Wiederbewaffnung der Hamas auch auf längere Sicht.
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