Westfalen-Blatt: Das WESTFALEN-BLATT (Bielefeld) zu Guttenberg/Verstaatlichung von Banken
Bielefeld (ots)
Pest oder Cholera - vor dieser zweifelhaften Wahl standen die Politiker vor wenigen Wochen, als es um die Rettung des Immobilienfinanzierers Hypo Real Estate ging. Die Frage lautete: Verstaatlichung und damit Enteignung der Aktionäre oder Insolvenz mit gravierenden Folgen für das Bankensystem. Dass die Wahl auf das kleinere Übel fiel, die Verstaatlichung, war zwar richtig. Freuen konnte sich darüber aber niemand. Denn letztlich muss der Steuerzahler für die Fehler der Bankmanager aufkommen. Bundeswirtschaftsminister Karl-Theodor zu Guttenberg, der Senkrechtstarter in der deutschen Politik, hat nun mit der »zeitlich begrenzten Staatsverwaltung« jenseits von »Pest und Cholera« einen dritten Weg ausgemacht, um von der Pleite bedrohten Banken zu helfen. Sein Vorschlag ist plausibel, denn die Rettung soll nicht zu Lasten der Allgemeinheit gehen. Aktionäre werden zwar nicht enteignet, müssen aber ihren Teil zur Sanierung beitragen. Natürlich könnte man Guttenbergs Vorstoß als Wahlkampf-Taktik abtun. Gerade auch deswegen, weil der Gesetzentwurf keine Chance hat, noch vor der Bundestagswahl am 27. September beschlossen zu werden. Wer jedoch in den vergangenen Wochen den Politikstil des jungen Ministers beobachtet hat, wer dabei gesehen hat, dass zu Guttenberg keineswegs dem Volk nach dem Munde redet, der sollte den Vorschlag ernst nehmen. Das ist schon allein deswegen ratsam, weil die Bankenkrise die Politik noch lange beschäftigen wird. Sie ist keineswegs überwunden, weil US-Großbanken wie Goldman Sachs und JP Morgan oder auch die Deutsche Bank wieder Gewinne machen. Wie ernst die Situation ist, zeigen die Millionenverluste der Commerzbank. Nach der Finanzkrise wartet die Kreditkrise. Die Rezession dürfte viele Firmen in die Insolvenz treiben - mit fatalen Folgen für die kreditgebenden Banken. Umso bedenklicher ist, dass Großbanken im Investmentbanking wieder Milliarden verdienen. Also genau in jenem Bereich, der als Auslöser der globalen Finanzkrise gilt. Hier wurden die Hypothekenkredite amerikanischer Hausbesitzer gebündelt, zu komplizierten Wertpapieren verpackt - den Kreditverbriefungen - und schließlich weltweit verkauft. Als die US-Hausbesitzer wegen steigender Zinsen ihre Raten nicht mehr bezahlen konnten, platzte die Immobilienblase. Die Kreditverbriefungen waren nichts mehr wert, Banken gingen pleite. Geht das Zocken nun wieder los? Die Frage lässt sich nicht so einfach beantworten. »Eine Bank ist dazu da, Risiken einzugehen. Sie darf sich nur nicht verheben«, sagt Wolfgang Gerke, Präsident des Bayerischen Finanzzentrums. Kreditverbriefungen jetzt zu verteufeln, wäre falsch. Sie sind ein Instrument der Banken, Risiken zu streuen. Gefährlich wird es aber bei Mehrfach-Verbriefungen, wenn also niemand mehr weiß, welche Risiken in dem Wertpapier-Produkt stecken. Das sollte die Politik verbieten.
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