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Westfalen-Blatt: Das WESTFALEN-BLATT (Bielefeld) zu Jung/Schneiderhan/Afghanistan/Bundeswehr

Bielefeld (ots)

Zeitunglesen bildet. Doch auf die jüngste
Offenbarung aus dem Blatt mit den großen Überschriften hätte 
Bundesverteidigungsminister Karl Theodor zu Guttenberg (CSU) gerne 
verzichtet. Alles, was der neue Amtsträger über den von der 
Bundeswehr befohlenen Luftangriff in Afghanistan wusste, war nicht 
einmal die halbe Wahrheit. Es gab zahlreiche zivile Opfer bei dem 
Angriff. Und das war höchsten Stellen im Verteidigungsministerium 
bereits wenige Tage nach der Bombardierung der entführten 
Tanklastzüge bekannt. Und diese Informationen stammten nicht von 
irgendwelchen bezahlten, zwielichtigen Agenten, sondern von 
Feldjägern und medizinischem Personal der Bundeswehr in Afghanistan 
selbst. Dem Parlament, der Öffentlichkeit und der ermittelnden 
Staatsanwaltschaft wurden also die ganze Wahrheit vorenthalten.
Guttenberg wusste, was er zu tun hatte. Keine zwölf Stunden, nachdem 
der Minister von den Informationsschlampereien in seinem Ministerium 
erfahren hatte, setzte er seine beiden wichtigsten Mitarbeiter vor 
die Tür. Generalinspekteur Wolfgang Schneiderhan und Staatssekretär 
Peter Wichert übernehmen die Verantwortung für die Pannen.
Und was ist mit Franz Josef Jung? Der derzeitige Arbeits- und frühere
Verteidigungsminister musste gestern von seiner Partei- und 
Fraktionsführung zum Rednerpult getrieben werden. Noch immer glaubte 
er, er habe mit der Sache nichts mehr zu tun. Er versteckte sich wie 
Wochen zuvor hinter Worthülsen. Er habe zivile Opfer nie völlig 
ausgeschlossen, schließe sie aber nach »derzeitigen Informationen« 
aus. Das passt zu Jung. Klare Worte waren noch nie seine Stärke.
Pflichtgemäß sprang ihm Unions-Fraktionschef Volker Kauder zur Seite.
Dabei war gestern schon klar, dass Jung nicht mehr zu halten ist. 
Seine Erklärung gestern Abend im Bundestag war mehr als dünn. Er 
wusste also von dem Bericht der Feldjäger und hat ihn ungelesen an 
die Nato weitergereicht.
Das darf doch nicht wahr sein. Informationen aus erster Hand, mit der
Möglichkeit der Nachfrage muss ein Minister bei einem derart 
sensiblen Thema zunächst einmal selbst auswerten. Das spricht gegen 
Jung. Denn als Verteidigungsminister war er ungeeignet. Für ihn ist 
der Zapfenstreich fällig.
Das ist Alltag, seitdem es politische Verantwortung gibt. Die meisten
von Jungs Vorgängern sind nicht freiwillig aus dem Amt gegangen.
Um es ganz deutlich zu sagen: Die Kritik an Jung stellt die 
Anwesenheit der Bundeswehr in Afghanistan überhaupt nicht in Frage. 
Der Einsatz deutscher Soldaten am Hindukusch ist notwendig und 
verdient, gewürdigt zu werden. Weil er aber so gefährlich und 
umstritten ist, muss über Sinn und Unsinn, über Leben und Sterben 
offen gesprochen werden. Das Verteidigungsministerium wollte sich vor
die Verantwortlichen des Luftangriffs stellen, um sie zu schützen. In
ihrem Eifer haben sie das Gegenteil erreicht.

Pressekontakt:

Westfalen-Blatt
Nachrichtenleiter
Andreas Kolesch
Telefon: 0521 - 585261

Original-Content von: Westfalen-Blatt, übermittelt durch news aktuell

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