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Westfalen-Blatt: Das WESTFALEN-BLATT (Bielefeld) zum Rückzug von Oskar Lafontaine

Bielefeld (ots)

Nichts hat Oskar Lafontaine in seiner
politischen Karriere dem Zufall überlassen. Deshalb muss man ihm 
glauben, dass ausschließlich gesundheitliche Gründe für den Rückzug 
aus der Bundespolitik verantwortlich sind. Zu gern hätte der Napoleon
von der Saar seinen Traum verwirklicht, als Linken-Chef die SPD 
weiter vor sich herzutreiben, um sie dann sie als großer Vorsitzender
zu einer politischen Kraft zu vereinen.
Minuten nachdem Lafontaine am Samstag seinen Rückzug von der 
bundespolitischen Bühne bekanntgab, meldeten sich die linken Flügel 
von Grünen und SPD zu Wort. Sie träumen von einem rot-tiefrot-grünem 
Bündnis im Bund und in den Ländern. Denn eines war klar: Mit dem 
vermeintlichen Verräter Lafontaine traute sich auf Bundesebene kein 
Sozialdemokrat über eine Zusammenarbeit zu verhandeln. Die andere 
Frage bleibt unbeantwortet: Hätte Lafontaine das überhaupt gewollt? 
Denn der begnadete Rhetoriker, Stratege, Spalter und Demagoge hielt 
sich für den einzig wahren Sozialdemokraten und sah die SPD als 
Partei, die vom rechten - dem linken - Weg abgekommen ist. Als 
notorischer Neinsager, als Robin Hood von der Saar, der den Reichen 
nehmen und den Armen geben will, verhalf Lafontaine den Linken bei 
der jüngsten Bundestagswahl mit Themen wie Hartz IV, Rente mit 67 und
Abzug aus Afghanistan zu fast zwölf Prozent.
 1999 war es noch die SPD, die Lafontaine mit seinem abrupten 
Abschied aus dem Finanzministerium und aus der Parteispitze ratlos 
hinterließ. Jetzt es die Linke. Auch wenn aus der Partei trotzig zu 
hören ist, jeder sei zu ersetzen, so hinterlässt der Saarländer eine 
große Lücke.
 Lafontaine geht, Bundesgeschäftsführer Dietmar Bartsch räumt seinen 
Posten, Lothar Bisky will sich verstärkt um Europa kümmern. Namen wie
Gesine Lötzsch und Klaus Ernst werden als Lafontaine-Ersatz genannt. 
Dabei hatten diese noch nicht die Gelegenheit nutzen können, mit 
außergewöhnlichen Ideen für Begeisterung zu sorgen. Wer außer Gregor 
Gysi ist in der Lage, künftig die Positionen der Linken bundesweit zu
vertreten? Doch auch seine Kräfte sind begrenzt. Der Fraktionschef 
der Linken hat eine gefährliche Operation überstanden und einen 
Herzinfarkt erlitten. Gysi bleibt nichts anderes übrig, als zunächst 
im Alleingang die Partei zu führen.
Möglicherweise hat CSU-Chef Horst Seehofer zu früh frohlockt, wenn er
die Linke auf dem Weg zurück zur reinen Ost-Partei sieht. Wenn Gysi 
es schafft, dass die Realpolitiker in seiner Partei die Oberhand über
fundamentalistischen Alt-Stalinisten gewinnen, muss sich auch die 
schwarz-gelbe Regierung warm anziehen. Ein linkes Bündnis - seien 
deren Ziele auch noch so utopisch - könnte mit einer neuen 
Gerechtigkeits- und Verteilungsdiskussion neue Mehrheiten in Bund und
Ländern erreichen. Lafontaine hätte sein Ziel erreicht.

Pressekontakt:

Westfalen-Blatt
Nachrichtenleiter
Andreas Kolesch
Telefon: 0521 - 585261

Original-Content von: Westfalen-Blatt, übermittelt durch news aktuell

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