Westfalen-Blatt: Das WESTFALEN-BLATT (Bielefeld) zu Westerwelle
Bielefeld (ots)
Mit der Kraft des Wortes stemmt sich Guido Westerwelle seit gestern gegen die Flut der Kritik, die ihn während seiner Auslandsreise jeden Tag aufs Neue ereilte. Und er macht das nicht schlecht. Beim Landesparteitag der NRW-FDP in Siegen hatte er seine Bühne zum Gegenschlag gefunden. Zugleich badete er in einer wohltuenden Woge herzlicher Zustimmung. Das hat gut getan. Die politische Replik war typisch Westerwelle. Präzis, wohl kalkuliert und alles andere als die Axt im Walde. »Unsere Aufgabe ist es nicht, beliebt zu werden, sondern das Richtige zu tun«, sagte Westerwelle. Nicht nur die FDP fürchtet, dass in Deutschland der Sozialstaat vor die Wand fährt. Ohne Anstrengung geht es nicht. Dass nur an Schwache verteilt werden kann, was Starke vorher geschaffen haben, ist noch so ein Gemeinplatz. Dennoch gelten Feststellungen dieser Art außerhalb des bürgerlichen Lagers als politisch nicht mehr ganz korrekt. Selbst SPD-Spitzenkandidatin Hannelore Kraft musste eben erst erfahren, dass einst Selbstverständliches inzwischen begierig missverstanden wird. Kein Wort zum Vorwurf der Vetternwirtschaft, keine Bemerkung zu seiner privaten Begleitung. Das kann man ihm vorhalten und es dabei belassen. Wer aber wirklich wissen wollte, was Westerwelle zu sagen hat zur Sozialstaatsdebatte, zum Verständnis deutscher Außenpolitik und zum NRW-Wahlkampf, der wurde mit einer in Teilen philosophischen Rede überrascht, die konkret und geschliffen war. Ein Kampf der Geisteshaltungen tobe, rief er. Wer nicht Partei ergreife für die Mitte, der gebe alles preis, lautete seine Botschaft. Wie kann es sein, dass Fleiß und Leistungsbereitschaft immer geringschätziger behandelt werden, fragt Westerwelle und leitet damit die Debatte wieder in die richtigen Bahnen. Deutlich wird: Wer ihn schlagen will, der muss mit Argumenten kommen. Gleichwohl hat der FDP-Chef ein Problem. Schon immer schienen Minister und Kanzler zum Beginn ihrer Amtszeit das neue Amt nicht ausfüllen zu können. Hans-Dietrich Genscher war als Innenminister alles andere als der später legendäre »Genschman«. Joschka Fischer musste anfangs peinliche Fragen nach seiner Vergangenheit als Frankfurter Polizistenprügler beantworten. Selbst Willy Brandt und Helmut Schmidt sind schwach gestartet. Dennoch widerfährt Westerwelle mehr als nur die Fortsetzung des Bundestagswahlkampfes mit anderen Mitteln. Aggressivität und Hass schlagen ihm in einem Maße entgegen, wie das weder der »Brioni-Kanzler« Schröder noch die angeblich tumbe »Birne« Kohl erdulden mussten. Westerwelle erklärt sich das politisch. Er sieht die Strippenzieher eines rot-roten Regimes am Werke. Man muss das nicht teilen. Wer aber nicht an die Machtergreifung der Honecker-Erben glaubt, der muss eine bessere Erklärung für die Hatz auf Westerwelle liefern. Allein am schwulen Freund kann es nicht liegen.
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