Westfalen-Blatt: Das WESTFALEN-BLATT (Bielefeld) zur Revolution in Ägypten
Bielefeld (ots)
»Das ist der schönste Tag in meinem Leben.« Die Worte des Oppositionspolitikers und Friedensnobelpreisträgers Mohammed El Baradei beschreiben wohl am ehesten, was Millionen von Menschen in Ägypten nach dem überraschenden, aber längst überfälligen Rücktritt empfinden. Ausgerechnet am Tag der Freitagsgebete wirft Mubarak die Brocken hin - wenige Stunden, nachdem der Diktator mit seiner beschämenden Rede noch für soviel Frust und Enttäuschung gesorgt hatte. Dieser Freitag wird in die Geschichte eingehen. Er wird Ägypten verändern, vielleicht sogar die ganze arabische Welt. Eine Diktatur ist gescheitert, ein Regime, das für Folter, Vertreibung und Verfolgung stand, aufgebraucht. Nach Veränderungen in Tunesien, im Irak und im Jemen ist auch in Ägypten der Weg frei für den Wandel zu freiheitlichen und demokratischen Strukturen. Auch wenn die Folgen noch nicht vollends abzusehen sind: Der Sturz Husni Mubaraks am 18. Tag der Proteste ist eine fantastische Nachricht und macht Hoffnung, dass der Friedensprozess im Nahen Osten in Gang kommt. Das Besondere dieser Revolution ist: Ein Volk hat sich selber befreit. Nicht mit Waffen, sondern mit Worten. Es ist bemerkenswert, dass auf dem Tahrir-Platz so wenig Blut geflossen ist. Trotz aller Wut und Enttäuschung sind die Menschen friedlich geblieben. Das verdient größten Respekt. Der Sturz des Diktators ist allein ihr Verdienst. Dank gebührt auch dem Militär. Die Armee hat mit ihrem besonnenen Verhalten dazu beigetragen, dass Ägypten nicht explodiert ist. Und Mubarak selbst hat mit seinem Rückzug wohl die beste Entscheidung seiner Amtszeit getroffen. Es sind sehr emotionale Bilder, die uns erreichen. Auch wenn die politischen Systeme und die geschichtliche Kultur nicht miteinander zu vergleichen sind: Ein bisschen erinnern die Massendemonstrationen und der Freudentaumel in Kairo an unsere deutsche Geschichte. Als Außenminister Hans-Dietrich Genscher am 30. September 1989 seine berühmten Worte »Wir sind zu ihnen gekommen, um ihnen mitzuteilen...« auf dem Balkon in Prag sprach, konnte niemand zuvor ahnen, dass der Abend so friedlich enden würde. Auch damals brodelte es, auch damals standen Panzer bereit, auch damals glich die Situation einem Pulverfass. Und wie vor 21 Jahren lagen sich am Ende die Menschen in den Armen, schwenkten Fahnen und feierten mit den Soldaten, die längst ihre Waffen abgelegt hatten. Wie geht es weiter in Ägypten? Neben dem Ziel friedlicher, freier Wahlen sowie der Schaffung demokratischer Strukturen ist zu hoffen, dass die USA aus der Vergangenheit gelernt haben. Es ist gut, dass Obama Hilfe versprochen hat. Aber der Neubeginn muss von Ägypten selbst erfolgen und darf nicht wie eine Käseglocke aufgestülpt werden. 18 Tage des Protests folgten Stunden des Zorns. Hoffentlich stehen diesem Land jetzt Jahre der Freiheit bevor. Die Menschen haben es mehr als verdient.
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