Westfalen-Blatt: Das WESTFALEN-BLATT (Bielefeld) zu Karl-Theodor zu Guttenberg
Bielefeld (ots)
Typisch zu Guttenberg: Es war zu erwarten, dass der Minister in seinem eigenen Verteidigungsfall zum Angriff übergeht. Deutschlands noch immer beliebtester Politiker hat aber auch Fehler eingestanden und sich entschuldigt. Er will seinen Doktortitel zumindest zwei Wochen lang ruhen lassen - welche Bedeutung das auch immer in der Praxis hat. Aber die entscheidende Frage in der Affäre um die Plagiatsvorwürfe lautet: Wie glaubwürdig ist Karl-Theodor zu Guttenberg noch? Und: Kann er Vertrauen zurückgewinnen? So beliebt der Bundesverteidigungsminister auch ist: Sein Image hat Kratzer erhalten. Auch deshalb, weil es sich in seiner Dissertation nicht nur um ein, zwei oder drei fehlende Fußnoten handelt, sondern dutzendfach Textpassagen fremder Autoren komplett übernommen worden sind, inklusive eines Teils der Einleitung. Das geht über Schummelei weit hinaus. Betrug im strafrechtlichen Sinne ist das Fehlverhalten aber nicht. Die Forderungen nach dem sofortigen Rücktritt sind genauso übertrieben, wie etwa Aussagen, hier werde eine Mücke zum Elefanten gemacht. Die Wahrheit liegt dazwischen. Fachleute der Universität Bayreuth werden die Doktorarbeit Guttenbergs genauestens kontrollieren und dann eine Entscheidung treffen. Diese Prüfung gilt es abzuwarten. Wenn zu Guttenberg tatsächlich eine Täuschungsabsicht nach Paragraph 16 der Promotionsordnung nachgewiesen wird, muss die Doktorprüfung nachträglich für nicht bestanden erklärt werden, mit allen Konsequenzen, die damit verbunden wären. Aber auch dieser für zu Guttenberg schlimmste Fall muss nicht zwangsläufig seinen Rücktritt bedeuten. »Jeder Mensch macht Fehler.« Den Worten von Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble, der nicht gerade als ein Unterstützer des Freiherrn gilt, möchte man hinzufügen: »Und jeder Mensch sollte die Chance haben, aus seinen Fehlern zu lernen.« Ausgerechnet an diesem Samstag bekommt Karl-Theodor zu Guttenberg den Orden wider dem tierischen Ernst - in seiner Abwesenheit. Der Minister wird vom Aachener Karnevalsverein als »Überflieger mit Bodenhaftung« ausgezeichnet. Er habe Mut zum Widerspruch und »akrobatischem Querdenken«. Spätestens nach Bekanntwerden der Plagiatsvorwürfe steht fest, dass der »Überflieger« hart gelandet ist. Guttenberg muss Vertrauen und Glaubwürdigkeit zurückgewinnen. Da spielt es keine Rolle, ob er einen Doktortitel trägt oder nicht. Die Menschen erwarten, dass er seine Arbeit gut macht - nicht zuletzt wegen der aktuellen, sehr traurigen Geschehnisse in Afghanistan mit zwei toten und acht verletzten Soldaten. Karl-Theodor zu Guttenberg kommt als Bundesverteidigungsminister eine besondere Verantwortung zu. Er steht 350 000 Männern und Frauen der Bundeswehr vor. Zuletzt hat sich zu Guttenberg nicht immer glücklich verhalten. Noch mehr Fehler darf er sich nicht erlauben. Sonst ist er nicht mehr zu retten.
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