Westfalen-Blatt: Das WESTFALEN-BLATT (Bielefeld) zu Westerwelle in Nordafrika
Bielefeld (ots)
Wer erinnert sich nicht an Deutschlands jämmerliche Rolle während der Libyen-Krise? Außenminister Guido Westerwelle verweigerte die Zustimmung zu einer UNO-Resolution, die Gaddafi am Abschlachten seiner Landsleute hindern sollte. Das war unvernünftig, und Westerwelle wurde hart dafür kritisiert. Doch nun wurde Libyen auch ohne deutsche Zustimmung befreit. Nun gilt es, der jungen Nation beim Aufbau zu helfen. Das hat Westerwelle verstanden. Er hat den libyschen Nationalen Übergangsrat früh anerkannt, ist noch während des Bürgerkrieges nach Bengasi gefahren und hat Hilfe und Rat angeboten. Nun lässt er Tripolis wissen, dass Deutschland Libyen diesmal nicht im Stich lassen wird. Westerwelle nutzt seine zweite Chance in Nordafrika. Das Auswärtige Amt hat Libyen bereits acht Millionen Euro für die humanitäre Soforthilfe und einen Kredit von 100 Millionen Euro zur Verfügung gestellt. Westerwelle versteckt sich nicht und bietet genau das an, was Libyen jetzt braucht: Wirtschaftshilfe, Unterstützung beim Aufbau der Zivilgesellschaft und medizinische Versorgung. Das ist eine vernünftige Politik. Erwähnenswert ist auch Westerwelles Aussage, das libysche Volk möge frei über seine politische Zukunft entscheiden. Denn allzu leicht wird von westlicher Seite die Gefahr einer muslimischen oder fundamentalistischen Unterwanderung des »arabischen Frühlings« herauf beschworen. Die Libyer haben das Recht, ihre politische Ordnung selbst zu gestalten. Das gilt auch für Ägypter, Marokkaner, Tunesier und Algerier. Wir Europäer sollten die Kultur, Religion und Andersartigkeit der Nordafrikaner akzeptieren und respektieren. Das hat Westerwelle erkannt. Entsprechend positiv ist das Echo in Tripolis. Auch in Algerien und Tunesien hat der Außenminister die richtigen Akzente gesetzt. Algerien braucht den deutschen Wirtschaftspartner, wobei das Projekt Desertec zur Erzeugung von Ökostrom in Wüsten besonders sinnvoll ist: Diese Initiative könnte künftig ganz Europa mit Energie versorgen. Entsprechend stark sind wir an einer stabilen algerischen Regierung interessiert. In Tunesien kann Deutschland beim Aufbau demokratischer Strukturen helfen. Arbeit, Bildung, Mobilität und Journalistenausbildung sind dabei wichtige Schwerpunkte. Tunesien könne sich zu einem Musterland des Wandels entwickeln, meinte der Bundesaußenminister in Tunis. Dabei werden die zusätzlichen 32 Millionen Euro, die Deutschland zur Verfügung stellt, dringend gebraucht. Somit stand Westerwelles Reise nach Nordafrika unter einem guten Stern. Gäbe es da nicht den gleichzeitigen Besuch des sudanesischen Präsidenten al Baschir in Libyen, der international als Verbrecher gesucht wird. Doch auch dieser peinliche Vorgang bestätigt die These, dass Libyen seine Außenpolitik selbst bestimmen darf. Auch wenn uns dies nicht immer gefällt.
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