Westfalen-Blatt: Das WESTFALEN-BLATT (Bielefeld) zum Thema Acta
Bielefeld (ots)
Das Anti-Piraterie-Abkommen Acta läutet nicht das Ende des Internets ein. Schlimmstenfalls ist es eine potenzielle Bedrohung, weil unklare Formulierungen Befürchtungen Raum geben, dass Acta schärferen Regeln zur Kontrolle von Internet-Nutzern den Boden bereitet. Vor diesem Hintergrund muten die Proteste vom Wochenende fast hysterisch an. Die Sorgen der User werden aber verständlich, wenn man auf die Entstehungsgeschichte des Abkommens blickt. Das ist nämlich hinter verschlossenen Türen entstanden. Am Verhandlungstisch saßen Vertreter der Europäischen Union, der USA, Japans und acht weiterer Staaten mit Lobbyisten von Apple, Google, Microsoft und Hollywoods Filmindustrie. Eine illustre Runde, die geheim tagte: Die Netzgemeinde musste draußen bleiben, ebenso die Weltorganisation für geistiges Eigentum. Schließlich war es der EU-Agrarausschuss, der in geheimer Sitzung den Ratifizierungsbeschluss fasste. Ein Schelm, der Böses dabei denkt. Viele Netzaktivisten befürchten, dass die EU auf Grundlage des Acta-Vertrags mit neuen Richtlinien das Internet stärker reglementieren könnte. Das böse Wort »Netzsperren«, das im Internet im Zusammenhang mit Acta kursiert, steht nicht (mehr) im Vertragstext. Auch macht Acta Internet-Provider nicht zu Hilfspolizisten. Die Formulierungen sind allerdings so schwammig, dass - wer mag - daraus eine Verpflichtung der Provider ableiten kann, illegale Inhalte zu filtern. Das Abkommen ist alles andere als ausgereift. Dazu kommen Missverständnisse und Falschinformationen rund um Acta, die es auszuräumen gilt. Wenn die Proteste vom vergangenen Wochenende dazu beitragen, Acta-Befürworter und Gegner an einen Tisch zu bringen, hat sich der Aufwand schon gelohnt. Geistiges Eigentum hat einen Wert, sein Schutz ist eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe. Ein internationales Abkommen ist sinnvoll und überfällig. Die Mehrzahl der Internet-Nutzer will Autoren, Künstler, Musiker, Komponisten und andere Kreative nicht um ihren Lohn bringen, viele glauben nur nicht, dass deren Interessen durch die Unterhaltungskonzerne richtig vertreten werden. Schallplatte und CD, Fotoabzüge und Filmmaterial haben ausgedient. Urheberrecht muss im 21. Jahrhundert, im Zeitalter der vernetzten Gesellschaft anders definiert und geschützt werden als vor 20 Jahren. Die Debatte dazu ist ebenfalls bereits überfällig. Abkommen, die in Geheimzirkeln entstehen, sind hierfür aber völlig ungeeignet. Acta ist noch nicht in Kraft, weiterer Diskussionsbedarf offensichtlich. Das ist eine Chance. Sinnvoll wäre es, die unstrittigen Passagen zum Schutz vor Plagiaten auszukoppeln. Der Teil aber, der sich mit dem Schutz geistigen Eigentums im digitalen Umfeld beschäftigt, sollte mithilfe der Netzgemeinde neu bewertet und sehr viel konkreter gefasst werden. Internet-Aktivisten sollten derweil die Zeit nutzen, sich besser zu informieren. Jetzt ist Acta nämlich nicht mehr geheim.
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