Westfalen-Blatt: Das WESTFALEN-BLATT (Bielefeld) zu Merkels Koalition/Griechenland
Bielefeld (ots)
Das zweite Griechenland-Paket durchgewinkt, die Kanzlermehrheit aber klar verfehlt: Erstmals ist der beklagenswerte Zustand der schwarz-gelben Bundesregierung auch im Abstimmungsverhalten der Parlamentarier deutlich messbar. Angela Merkel hat immer größere Mühe, CDU, CSU und FDP beieinander zu halten. Nicht aus Überzeugung, nur noch aus Mangel an Alternativen lautet das Motto dieser Koalition: weitermachen, immer weitermachen. Dabei lassen die jüngsten Eskapaden von Schwarz-Gelb tief blicken. Die Koalition taumelt von Peinlichkeit zu Peinlichkeit. Eine liefert der Vizekanzler, die nächste der Innenminister. Nein, ein gedeihliches Miteinander, das mehr ist als ein bloßes Lippenbekenntnis, bekommen Union und FDP nicht zustande. Auch zweieinhalb Jahre nach der letzten und damit gerade einmal eineinhalb Jahre vor der nächsten Bundestagswahl wird man das Gefühl nicht los, dass sich Christdemokraten, Christsoziale und Liberale in zu vielen Punkten fremdgeblieben sind. Aus der so lange herbeigesehnten Wunschkoalition ist nicht etwa ein funktionierendes Zweckbündnis, sondern eine Zwangsehe geworden. Egal, ob der Vorstoß von Hans-Peter Friedrich, Griechenland aus der Euro-Zone zu komplimentieren, nun ernst gemeint war oder bloß ein taktisches Manöver zur Befriedigung der Euro- und Europa-Kritiker sein sollte: Diese Wortmeldung des CSU-Mannes spricht ebenso Bände wie sein hastiges Zurückrudern gestern. Genutzt hat es nichts, das Porzellan ist zerdeppert. Zu anderen Zeiten hätten solche Winkelzüge eines Ministers mit einiger Wahrscheinlichkeit und vollkommen zu Recht zu der Frage geführt, ob da der richtige Mann im Amt ist. Doch das kann sich Angela Merkel nicht leisten, weil spätestens nach zu Guttenberg und Wulff das Maß an Rücktritten für ihre Regierung schon übervoll ist. So wird deutlich, dass Merkels Macht innerhalb der Koalition lange nicht so weit reicht wie ihr Einfluss auf internationaler Bühne. Die erste Frau Europas, auf der alle Hoffnung ruht, muss sich daheim von ihren Koalitionspartnern - einer am Boden liegenden FDP und einer selbstverliebten CSU - an der Nase herumführen lassen. Was für eine Ironie! Dazu passt auch, wie FDP-Chef Philipp Rösler seinen Coup um die Kür von Joachim Gauck ausschlachtet. Damit auch ja alle merken, dass er die Kanzlerin aufs Kreuz gelegt hat. In einem an Peinlichkeit nicht zu überbietenden Vergleich stellt Rösler Merkel als Frosch dar und merkt nicht, was er für einen Unsinn quakt. Keine Frage: Auch in einer Regierungskoalition denkt jede Partei zuerst an sich. Doch was Schwarz-Gelb an Neid, Missgunst und Häme im Umgang miteinander zur Schau stellt, hat nichts mit gesundem Selbstbewusstsein und normaler Konkurrenz, sondern viel mit Verzweiflung, Verachtung und gegenseitigem Misstrauen zu tun. Fragt sich, wo da der Respekt der Wähler herkommen soll.
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