Westfalen-Blatt: Das WESTFALEN-BLATT (Bielefeld) zur Steuerdebatte
Bielefeld (ots)
Als Steuerzahler wünscht man sich bisweilen alttestamentarische Zeiten zurück. »Von allem, was du mir geben wirst, werde ich dir gewisslich den Zehnten geben«, verspricht Jakob im ersten Buch Mose dem Herrn. Zehn Prozent Abgabe auf alle Einkünfte: Heute hieße das »Flat Tax«. Von einem solchen Steuersatz sind wir ebenso weit entfernt wie von einer Einheitssteuer. Freibeträge, Werbungskosten, Progression und Sonderregelungen verwirren Laien, Experten geraten ins Grübeln. Vater Staat freut's. Er kann an unzähligen Stellschrauben drehen und so den Bürger mal mehr, mal weniger belasten. Die Staatsquote - also der Anteil des Volkseinkommens, über den der Staat in irgendeiner Weise verfügt - liegt bei nahezu 50 Prozent. SPD und Grünen, aber auch der Linkspartei, den Gewerkschaften und Sozialverbänden reicht das nicht. Sie trommeln für »Reichensteuer« und »Vermögensabgabe« - eine neue Umverteilungsdebatte ist voll entbrannt. Auf den ersten Blick erscheint das Vorhaben sympathisch. Wer beim Krawallsender RTL 2 die Doku-Soap über Millionärsfamilie Geiss verfolgt hat, der glaubt: Denen geht's wirklich zu gut. Die Geissens stehen aber eben nicht stellvertretend für »die Reichen«. Eine Vermögensabgabe würde vor allem Familienbetriebe belasten, die gerade auch in Ostwestfalen für Beschäftigung und Wohlstand sorgen. Je mehr der Staat kassiert, desto weniger bleibt für Investitionen und Innovationen. Dann also besser einen höheren Steuersatz für Spitzenverdiener? Die könnten den Aufschlag wohl verkraften. Doch was brächte das? Bliebe es bei der Einkommensgrenze von 250 000 Euro, von der an schon jetzt für Alleinverdiener ein Zuschlag erhoben wird, käme durch die von der SPD vorgeschlagene Erhöhung um vier Prozentpunkte etwa eine Milliarde Euro pro Jahr zusammen. Würde die Abgabe bereits bei mehr als 100 000 Euro erhoben, wäre es das Drei- bis Fünffache. Die Steuereinnahmen des Staates würden bestenfalls um ein Prozent steigen. Zahlen müssten allerdings nur diejenigen Spitzenverdiener, die ihr Einkommen nicht durch legale Steuertricks senken oder ins Ausland abwandern können. Nein: Gerechter wird das Steuersystem nur dann, wenn Ausnahmen abgeschafft und jeder nach seiner tatsächlichen Leistungsfähigkeit belastet wird. Dazu gehört auch eine schärfere Verfolgung von Steuerhinterziehern. Auf 30 Milliarden Euro schätzt die Steuergewerkschaft den jährlichen Schaden - ein Vielfaches dessen, was durch den Spitzenverdienerzuschlag zu erlösen wäre. So rechtfertigt sich auch der Ankauf weiterer Steuer-CDs durch das Land Nordrhein-Westfalen. Das Alte Testament weist den Weg: Wer verbotene Früchte genießt, der wird aus dem Paradies vertrieben. Das muss erst recht für Steuerparadiese gelten.
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