Westfalen-Blatt: Das WESTFALEN-BLATT (Bielefeld) zum Thema Parteien in Klausur
Bielefeld (ots)
Ein Jahr und (mindestens) zwei Landtagswahlen ist die nächste Bundestagswahl noch entfernt. Mit ihren Klausurtagungen laufen sich die Bundestagsparteien dieser Tage trotzdem schon einmal warm für den Wahlkampf. So muss man gewiss nicht jedes der markigen Worte auf die Goldwaage legen, und für seriöse Prognosen ist es ohnehin viel zu früh. Trotzdem ist die Momentaufnahme spektakulär: Das längst totgesagte Schwarz-Gelb erscheint auf einmal gar nicht mehr so unmöglich für die Zeit nach 2013. Die lange selbstbewusste wie siegessichere Opposition aus SPD und Grünen hingegen steht sich mehr und mehr selbst im Weg und wirkt ratlos. Nicht zuletzt, weil ihr neben der isolierten Linkspartei die Piraten wichtige Stimmen abzujagen drohen. Die Abgesänge auf Schwarz-Gelb waren alle schon gesungen, die Nachrufe alle schon geschrieben - einzig, es könnte zu früh gewesen sein, wie sich nun herausstellt. Dabei hat die Bilanz einer Bundesregierung - im Stil wie im Inhalt ihres Handelns - selten so im Kontrast zu ihren Umfragewerten gestanden, wie das derzeit der Fall ist. Zwar kämpfen die Liberalen nach wie vor ums politische Überleben - Ausgang ungewiss. Doch sollte ihr Kampf erfolgreich sein, könnte Schwarz-Gelb mit einer CDU/CSU, die derzeit dicht an der 40-Prozent-Marke taxiert wird, erneut eine Option werden. Dabei ist ein versöhnlicher Abschluss einer von Schwarz-Gelb weitgehend vermurksten Legislaturperiode gewiss nicht zu erwarten. Bei zu vielen Themen steht einfach zu viel zwischen den Koalitionären. Doch offensichtlich sind die Wähler leidensbereiter als gedacht, so lange nur die Wirtschaft läuft. Und offenbar reicht eine Bundeskanzlerin Angela Merkel und ihr Krisenmanagement auf europäischer Bühne aus, um den Souverän großzügig hinweghören zu lassen über alle »Wildsäue«, »Gurkentruppen« und was sich da sonst angehäuft hat in drei Jahren Schwarz-Gelb. Zur gütigen Nachsicht gegenüber der Regierung trägt freilich auch die Opposition kräftig bei. Während sich die Troika-Idee der SPD längst als Rohrkrepierer entpuppt hat und die Genossen verzweifelt nach einem Ausweg suchen, stürzen sich die Grünen in ein Abenteuer namens Urwahl der Spitzenkandidaten. Dabei ist für die Partei nichts unwichtiger als das, weil sie 2013 ganz sicher nicht den Kanzler stellen wird. Nein, diese Urwahl ist keineswegs ein Musterbeispiel für Basisdemokratie, sondern Folge eines ungelösten Streits zwischen den grünen Hauptdarstellern. An dessen Ende jedoch werden zwei der vier Spitzenleute als Verlierer dastehen - und mit ihnen vielleicht die gesamte Partei. So bietet Rot-Grün aktuell sieben Kandidaten gegen eine Angela Merkel auf, weiß deren waidwunde Koalition aber inhaltlich an kaum einem Punkt entscheidend zu stellen. Am Anfang eines langen Wahlkampfes ahnt man, dass das nächste Jahr kein Vergnügen werden muss
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