Westfalen-Blatt: Das WESTFALEN-BLATT (Bielefeld) zu Google/Bettina Wulff
Bielefeld (ots)
Bettina Wulff war nie Prostituierte und Google hat niemals behauptet, dass sie es gewesen sei. Dennoch ist die ehemalige First Lady genauso massiv verletzt worden, wie jede andere Frau, die in einen solchen Zusammenhang gerückt wird. Deshalb muss sich die weltweit genutzte Suchmaschine, die sich als Verbreiter von Hörensagen, Halbwissen und Vorverurteilung gerade selbst an den medialen Pranger stellt, ihrer Verantwortung stellen. Es geht nicht vorrangig um den Fall Wulff, schon gar nicht um den Verkauf eines Büchleins. Es geht um Schutz vor dummem Geschwätz. Googles Autovervollständigung bietet nach der Eingabe weniger Silben Ergänzungen an. Auf »Bettina Wulff« folgen seit Dezember 2011 die Worte »Prostituierte« und »Escort«. Wer »Eon« eingibt und »ab« folgen lässt, der erhält »Abzocke«. All das geschieht automatisch, weil viele Nutzer diese Kombination zuvor abgefragt haben. Möglich wird das Ganze aber erst, weil Google die Dinge einfach laufen lässt. In den USA drohen Millionenstrafen, wenn ein bestimmter Name permanent um Begriffe wie »Mörder« oder »Zahlungsverweigerer« ergänzt wird. Dort greift Google ein und sperrt die Zusammenstellung, selbst wenn die technisch generierte Verknüpfung gerichtsfest sein sollte. Der Bundesdatenschutzbeauftragte Peter Schaar hat sich auf die Seite von Bettina Wulff gestellt. Es sei ihr gutes Recht, sich zu wehren, sagt er. Ansonsten ist der oberste deutsche Datenwächter hilflos. Schaar hat schon früher den vom Spiegel zur »Datenkrake« erklärten US-Konzern anzugreifen versucht. Selbst ein gemeinsamer Brief von zehn nationalen Datenschutzbehörden gegen die Offenlegung privater Angaben bei der Einführung des Netzwerks Google Buzz blieb 2010 wirkungslos. Immerhin: Trotz der Wildwestmethoden im weltweiten Netz können sich journalistische Qualitätsansprüche und die Strafverfolgung übler Nachrede außerhalb des Internets halten. So haben 99 Prozent aller hiesigen Zeitungen solange nicht über die Gerüchte um Frau Wulff berichtet, wie die Betroffene den Fall nicht selbst an die Öffentlichkeit brachte. Das spricht zumindest nicht gegen die Medien. Was bleibt, ist die Gewissheit, dass Gerüchte Eigendynamik entwickeln. Neu ist, dass das Internet Geschwätz, das früher auf Stammtisch oder Wochenmarkt beschränkt blieb, unendlich breit tritt. Google ist frei von der im Umgang mit Informationen gebotenen Sorgfaltspflicht. Warum eigentlich? Fachleute glauben, dass sich das Dilemma über die gesetzliche Zuspitzung der Störerhaftung lösen lässt. Danach trägt Google Deutschland in dem Moment Verantwortung, in dem die Verbreitung von beleidigenden Informationen bekannt ist. Falls die Sache so einfach ist, sollte der Gesetzgeber ganz schnell tätig werden.
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