Westfalen-Blatt: Das WESTFALEN-BLATT (Bielefeld) zum Nahen Osten
Bielefeld (ots)
Amos Leonard und Michael Noam Barlev haben Glück. Sie wohnen in Herzliya. Wenn sie in den Kindergarten und die Kindertagesstätte gehen, brauchen sie keine Angst zu haben, dass ihr Spiel durch Sirenen unterbrochen wird und sie sich in eine Betonröhre flüchten müssen. Für die Zwei- und Vierjährigen in Sderot, in Zikim und Yad Mordehai ist das anders. Nicht nur derzeit werden diese Orte aus dem Gaza-Streifen beschossen. Über das ganze Jahr 2012 wurden hunderte Raketen von der Hamas, einer in Deutschland als terroristisch eingestuften Organisation, Richtung Israel geschickt. Selten mit tödlichen Folgen, weil es den Geschossen an Präzision mangelt. Und weil die israelische Armee ein Vorwarnsystem installiert hat, das hilft, die menschlichen Schäden zu minimieren. Über diese Gewalt hört und liest man wenig bis nichts. Doch seit die Zva haHagana leJisra'el (Israel Defense Forces) sich diesem täglichen Terror entgegenstellt, interessiert sich die Weltöffentlichkeit wieder dafür. Und: Die Schuld wird meist bei dem Staat gesucht, der ein Kind des Holocaust ist. Der »Focus« schreibt gar von einer Ermordung des militärischen Hamas-Führers. Es bleibt eine spannende Frage, warum knapp 68 Jahre nach der Befreiung des Konzentrationslagers Auschwitz die Schuld an der Eskalation im Nahen Osten bevorzugt bei den Juden gesucht wird. Nicht nur auf rechtsextremen Internet-Seiten und in einschlägigen Blogs wird ihnen zudem ein übermäßiger Einfluss auf Politik, Kultur und Medien unterstellt. Auch im Jahr 2012 spricht man noch von »dem« Juden. Den gibt es naturgemäß so wenig, wie es »den« Palästinenser gibt. In Israel ist das Bedürfnis nach Frieden und einem gedeihlichen Zusammenleben mit den Palästinensern groß, die Friedesbewegung hat Zulauf. Aber die Argumente finden nicht nur in der aktuellen Lage wegen der latenten Bedrohung wenig Gehör. Denn wer will mit Menschen vertraulich zusammenarbeiten, die in ihrer Agenda stehen haben, Juden und den Staat Israel vernichten zu wollen? Die Hamas ist derzeit der beste Wahlhelfer für Benjamin Netanyahu und seine neue Partei mit dem Scharfmacher Avigdor Liberman, der selbst von israelischen Medien als rassistisch, rechtsradikal und faschistisch bezeichnet und mit Jörg Haider und Jean-Marie Le Pen verglichen wird. Wenn das Duo »Biberman« am 22. Januar die Parlamentswahlen in Israel gewinnt, und danach sieht es aus, wird die Hamas jubeln, zumindest heimlich. Denn das verschafft ihnen weitere Geldmittel aus arabischen Staaten. An einer Stabilität und Beruhigung im Nahen Osten sind nur wenige wirklich interessiert. Die Palästinenser bleiben Manövriermasse im Machtpoker von Staaten, Clans und Konfessionen. Keine guten Aussichten für die Kinder in Gaza und im Westjordanland. Und auch nicht für Amos Leonard und Michael Noam Barlev, meine Neffen.
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