Westfalen-Blatt: zum Thema Zinswett-Geschäfte
Bielefeld (ots)
Geld, das einfach so aus dem Nichts entsteht: Mit diesem Versprechen haben Alchimisten schon vor Jahrhunderten Könige und Herzöge genarrt. Nicht wenige Herrscher warfen den Hochstaplern und Traumtänzern Unsummen in den Rachen, bis sie erkennen mussten, dass aus Blei niemals Gold werden wird. Die Alchimisten sind Geschichte, doch der Trick funktioniert noch immer. Die Finanz-Alchimisten der Neuzeit arbeiten nur mit weit feineren Methoden. Es geht nicht mehr um Blei und Gold, sondern um komplizierte Finanzwetten, bei denen sich Euribor und Schweizer Franken mit Kurz- und Langfristzinsen wie von Zauberhand zu einer magischen Geldvermehrung vereinen. Der Börsen-Boom der 90er Jahre mit sagenhaften Renditen nährte die Illusion, dass Reichtum ohne eigene Leistung zu erreichen sei. Von Risiko war selten die Rede. Manche Kommunen haben mit den Zinswetten tatsächlich Gewinn gemacht. Sie hatten pures Glück. Andere - wie Bad Oeynhausen - stehen auf der Verliererseite. 57 Millionen Euro Verlust hat allein das als »Goldstadt« bekannte Pforzheim eingefahren. Auch dort laufen Ermittlungen wegen Untreueverdachts gegen die frühere Oberbürgermeisterin und die ehemalige Kämmerin. Nun ist Untreue kein Kapitalverbrechen, entsprechend gering dürften im Falle einer Verurteilung die Strafen ausfallen - in Pforzheim wie in Bad Oeynhausen. Dennoch ist es richtig, dass die Staatsanwaltschaft Bielefeld Anklage gegen die Verantwortlichen in Bad Oeynhausen erhoben hat. Denn eine Strafe soll immer auch abschreckend sein. Schluss mit dem Casino im Rathaus! Diese Mahnung gilt für Kommunalpolitiker allerorten, und sie gilt nicht nur für riskante Zinsgeschäfte. Immer mehr Kommunen finanzieren sich über kurzfristige Kredite. Damit tickt die nächste Zeitbombe. Ein Drittel aller kommunalen Verbindlichkeiten laufen mittlerweile über diese sogenannten Kassenkredite. Die Schuldenmacherei auf den öffentlichen Girokonten geht nur so lange gut, wie die Zinsen niedrig sind. Doch irgendwann werden die Zinsen wieder steigen, und dann explodiert das kommunale Schuldenmanagement. Zinswetten wie Schuldentrickserei sind undenkbar ohne die Banken, die dazu anstiften oder zumindest mitmachen. Private Institute wie die Deutsche Bank haben zwar hier und da ein wenig Schadenersatz leisten müssen, doch die daraus entstehenden Verluste können sie beim Finanzamt geltend machen. Öffentliche Banken wie die in Abwicklung stehende West-LB, die im Zinswettgeschäft ebenfalls mitgemischt und sich zudem selbst verspekuliert hat, fallen dem Steuerzahler gleich doppelt zur Last. Deshalb kann es nur einen Ratschluss geben: Wer mit fremdem Geld umgeht, der darf nicht spekulieren. Weder als Politiker noch als Bankier. Zu dieser Erkenntnis braucht es keine Alchimie, sondern gesunden Menschenverstand - und Anstand.
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