Westfalen-Blatt: Das WESTFALEN-BLATT (Bielefeld) zum Klimagipfel
Bielefeld (ots)
Niemand weiß so recht, ob der globale Anstieg der Temperaturen durch die heute beginnende Klimakonferenz beschleunigt, verlangsamt oder gar nicht beeinflusst wird. Die Fluganreise von 17 000 Teilnehmern aus aller Welt ins Tagungszentrum von Doha ist kaum förderlich. Selbst wenn wirklich alle Politiker, Professoren und Experten der Nichtregierungsorganisationen die politisch korrekte CO2-Abgabe zahlen (lassen), bleibt das Vermeiden von Klimaschäden besser als deren Heilung.
Inzwischen sind sich die Klimaschützer selbst nicht mehr sicher, ob das Festhalten am Zwei-Grad-Ziel strategisch richtig ist. Klimaexperte Oliver Geden von der Stiftung Wissenschaft und Politik in Berlin hält klimafreundliche Konzepte auf regionaler Ebene oder in Verabredungen bestimmter Branchen mittlerweile für effektiver. Selbst die Durchsetzung eines Drei-Grad-Zieles ist für Jochem Marotzke vom Max-Planck-Institut für Meteorologie in Hamburg inzwischen fast nicht mehr erreichbar. Begründung: der weltweite Politik- und Konferenzbetrieb habe sich als ungeeignet, ja sogar als unfähig zur Lösung weltweiter Probleme erwiesen. Zu wenige machen mit, zu viele kochen ihr eigenes Süppchen. Marotzke fragt sich, »ob es gute Politik ist, unerreichbare Ziele zu setzen.«
Selbst die Lichtgestalten nationaler Opposition geben wortgewaltige, allerdings sich gegenseitig ausschließende Erklärungen ab. »Deutschland entwickelt sich immer mehr zum Bremser in der Klimapolitik, auf europäischer wie auf internationaler Ebene«, stanzt SPD-Chef Sigmar Gabriel. Grünen-Chefin Claudia Roth hat das noch nicht mitbekommen und wähnt uns immer noch in der Poleposition: »Geht Deutschland nicht voran, scheitert der Klimaschutz weltweit.«
Tatsächlich sind die Anstrengungen, vor allem aber die freiwilligen Selbstbeschränkungen und Belastungen der eigenen Wirtschaft mit Treibhauszertifikaten, Luftverkehrssteuer und anderen Auflagen weder von den USA noch von Asien honoriert worden. Im Gegenteil: Klimasünder machen Geschäfte, Klimaretter haben das Nachsehen. Europa könnte sich die Sache schönreden, sich seiner Vorleistungen rühmen und behaupten, die Verschmutzer zögen jetzt wirklich nach. Allerdings: Soviel Naivität macht Wähler wütend.
Wie wäre es, wenn die Klimaforschung weitergehende Erkenntnisse lieferte? Unstrittig ist, dass es erdgeschichtlich schon Dutzende Kalt- und Warmzeiten gegeben hat. Allein der ungewöhnlich schnelle Anstieg soll das Besondere, das Menschengemachte sein. Wie gesagt: »soll«. Die Tempo-These ist und bleibt eine Vermutung. Nach bald zwei Jahrzehnten Klimaforschung, in der Forschungsgelder wie noch nie in die Thermometer-Zunft an den Universitäten dieser Welt gelenkt wurden, ist eine verlässliche Antwort überfällig. Am besten in den nächsten Tagen in Doha.
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