Westfalen-Blatt: Das WESTFALEN-BLATT (Bielefeld) zum Börsenjahr
Bielefeld (ots)
Vielleicht hatte der Börsenguru André Kostolany (1906 - 1999) doch Recht. Aktien kaufen, Schlaftabletten nehmen und nach Jahren Kasse machen. So lautete der Rat des Ungarn, der die schwärzesten Tage an den Weltbörsen erlebt, aber niemals seine Gelassenheit und Phantasie verloren hatte. Kostolany kannte weder Hochgeschwindigkeitshandel noch die Exzesse des Derivatemarkts und schon gar nicht die Desaster an fast allen Finanzmärkten Europas und der USA. Trotzdem hat sich seine Konzentration auf Fundamentales und Visionen im Börsenjahr 2012 als verlässliche Richtschnur erwiesen. Deutsche Standardaktien, vor allem die im Dax versammelten Großkonzerne, belohnen zum Jahresende all die, die sich nicht haben kirre machen lassen. Katastrophengerede und Krisenwahn haben in den vergangenen Jahren viele Anleger, insbesondere die mit dem kleinen Portfolio, aus dem Markt getrieben. Heute stehen dagegen die, die Nerven bewiesen haben, als Sieger dar. Dabei gilt der uralte, auch von Altmeister Kostolany gern zitierte Lehrsatz: Sind die Zinsen niedrig und das Gerede über drohende Inflation groß, gibt es nicht Solideres als Unternehmen, die reelle Werte schaffen. Daran teilzuhaben ist kein Verbrechen, wohl aber mitunter nervenaufreibend. 2012 war es ein Vergnügen, an der Börse dabei zu sein. Der Dax glänzte mit einem Plus von 30 Prozent. Der deutsche Leitindex präsentiert sich so stark wie seit neun Jahren nicht mehr. Schon zieht die Zunft der Chartanalysten ihre langen Linien bis zur 8000-er Marke. Volkswagen, SAP und Bayer haben ihren Börsenwert um 50 Prozent gesteigert, Siemens und BASF legten 8 beziehungsweise 35 Prozent zu. Auch in der Region haben Unternehmen aus dem M- und S-Dax ihren Aktienwert deutlich verbessert. Gerry Weber, Gildemeister und Itelligence AG steigerten die Kurse 2012 um satte 60 Prozent und mehr. Allein bei 2 der 14 börsennotierten Gesellschaften aus Ostwestfalen-Lippe verunziert ein Minuszeichen den Kursverlauf 2012. Das Börsentableau passt so gar nicht in das gängige Bild des Jahres. Europa haderte mit seiner Währung, dessen politischer Zusammenhalt bröckelte, die Banken (deren Kurse unterdessen kräftig stiegen) galten als abgängig und auch das US-amerikanische Haushaltsproblem bot 2012 passgenaue Vorlagen für den am 21. Dezember natürlich ausgefallenen Weltuntergang. Der deutsche Aktienmarkt steht nur für ein kleines Segment des weltweiten Handels. Aber er ist ein deutlicher Beleg dafür, dass die gefühlte schlechte Stimmung in deutlichem Kontrast zu messbaren harten Fakten steht. Wenn jetzt von bevorstehenden Krisen, Rückgängen und nachlassendem Wachstum die Rede ist, sollten wir so gelassen bleiben wie Schlitzohr Kostolany - ganz entspannt, aber auch hellwach.
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