Westfalen-Blatt: Das WESTFALEN-BLATT (Bielefeld) zur Organspende
Bielefeld (ots)
Die Autorin dieser Zeilen hat sich vor einem Jahr einen Organspende-Ausweis zugelegt. Bei ihr hat die Debatte um die geringe Spendenbereitschaft gewirkt. Angesichts der nicht enden wollenden Skandale kommen ihr aber gelegentlich Zweifel, ob das die richtige Entscheidung war. Manipulationen bei Organspenden in Deutschland können nicht mehr als Einzelfälle abgehakt werden. Das zerstört Vertrauen. Die Spendenbereitschaft sinkt. Wer seine Organe freigibt, muss sicher sein, dass damit kein Schindluder getrieben wird. Das galt auch schon vor den neuen Enthüllungen aus Leipzig. Deshalb beschloss die Bundesregierung im August, alle Transplantationszentren zu überprüfen. Das Risiko war bekannt. Wer hinguckt, muss damit rechnen, dass er noch mehr Unregelmäßigkeiten freilegt. Das ist nun passiert. Deshalb sollte diesmal die Freude über den Erfolg der Kontrolle nicht in der allgemeinen Entrüstung untergehen. Der Aufschrei ist angesichts der Zahl an Vorfällen zwar berechtigt. Er darf aber nicht dazu führen, dass mehr Menschen sagen, sie spenden Organe nicht. Leider besteht diese Gefahr. So paradox es klingt: Aufklärung könnte hier schädlich sein. Sie ist allerdings unerlässlich. Keine Aufklärung ist keine Alternative. Unerlässlich ist ebenfalls, darüber zu sprechen, was im System noch verbessert werden kann. Dabei geht es vor allem um jüngst beschlossene Maßnahmen. Sie sind grundsätzlich richtig: vom Mehr-Augen-Prinzip, das behandelnden Ärzten untersagt, alleine über die Platzierung auf der Warteliste zu entscheiden, bis hin zur Kommission, die Transplantationszentren kontrolliert. Bei diesem diffizilen Feld reicht die Zusicherung des Mehr-Augen-Prinzips durch Beteiligte aber nicht aus. So etwas sollte im Gesetz verankert werden. Kritisch ist auch die neue Kommission zu sehen. Sie ist nicht fest beim Gesundheitsministerium angesiedelt, sondern setzt unter anderen auf private Akteure. Auch wenn das Ministerium deren Unabhängigkeit gestern betonte, bleiben Zweifel. Hier sollte nachjustiert werden, bevor wieder etwas passiert, woraufhin im Nachhinein reagiert werden muss. Sollte sich herausstellen, dass in Leipzig Geld geflossen ist, muss ebenfalls über härtere Strafen der Akteure nachgedacht werden. Wer sich kurz in einen Arzt hineinversetzt, der seinem leidenden, vielleicht sogar jahrelang lieb gewonnenen Patienten einen besseren Platz auf der Warteliste verschaffen will, mag noch ein gewisses Verständnis verspüren. Fließt jedoch Geld an den Mediziner, löst sich dieses schnell in Luft auf. Auf die Frage, ob es richtig war, sich einen Organspendeausweis zu besorgen, ist die Antwort der Autorin letztlich eindeutig: ja! 12 000 auf Organe wartende Menschen können nicht dafür bestraft werden, dass in einigen Kliniken Furchtbares passiert.
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