Westfalen-Blatt: Das WESTFALEN-BLATT (Bielefeld) zur EU-Mitgliedschaft
Bielefeld (ots)
Premierminister David Cameron will einen »besseren Deal« für Großbritannien. Damit begründet er sein Vorhaben, die Briten Ende 2017 über die EU-Mitgliedschaft abstimmen zu lassen. Wer Europa nur als Deal im Sinne eines besonders vorteilhaften Geschäfts versteht - im Umkehrschluss zulasten des Partners also - betrachtet, offenbahrt pure Unkenntnis der europäischen Idee. Wenn Großbritannien überhaupt eines Deals bedarf, dann schon eher jenes »New Deals«, mit dem Präsident Franklin D. Roosevelt die USA mit Wirtschafts- und Sozialreformen aus der Weltwirtschaftskrise von 1929 bis 1933 herausführte. Camerons Vorstoß ist vor allem ein gefährliches Spiel. Er selbst will in der EU bleiben, aber die ihn hart bedrängenden EU-Gegner im eigenen Lager zum Schwur zwingen. Philipp Rösler hat mit einem ähnlichen Coup seine ziemlich besten Parteifreunde genial ausgetrickst. Ob das Spiel über Bande und Camerons aktuelle Wahlperiode hinaus auch gelingt, ist eher zweifelhaft. Kurzum: Cameron spielt Vabanque. Der Premier gibt vor, die EU reformieren und zukunfstfest machen zu wollen, aber setzt dabei das Wohlergeben seiner schwer angeschlagenen britischen Volkswirtschaft ausf Spiel. Das schuldengeplagte Großbritannien sollte besser darum kämpfen, sein AAA-Rating zu retten. Niemand weiß, wie die Briten in einem Referendum in fünf Jahren auf die Frage »Bleiben oder austreten?« letztlich abstimmen. Die typisch britisch verkürzte Diskussion über »pros and cons« - das rein volkswirtschaftliche Pro und Contra - muss einige erhebliche Gegenargumente wägen.
Erstens: Im Falle eines EU-Austritts benötigte Großbritannien eine Reihe von bevorzugten Handelsabkommen, so wie sie heute mit der Schweiz bestehen. Aber warum sollte die EU Reisende aufhalten? Beim Austausch von Gütern und Dienstleistungen ist das Vereinigte Königreich sechsmal stärker auf die EU angewiesen als die Gemeinschaft auf Großbritannien.
Zweitens: Schon heute beruht das britische Bruttoinlandsprodukt zu 50 Prozent auf Investitionen aus dem Ausland. Jede Unsicherheit über die Zukunft des Landes, würde den Standort unattraktiv machen. Kontinentaleuropa böte anlagewilligen Öl- und Asienmilliarden automatisch den sichereren Hafen.
Drittens: Die Briten müssten sich auf einen deutlich niedrigeren Lebensstandard einstellen und versuchen, die Schwäche ihres Pfundes auf Drittmärkten wieder zu stabilisieren. Dort sind allerdings einige Euro-Länder trotz der auf der Insel lauthals beklagten EU-Fesseln heute schon erfolgreicher.
Vieles spricht dafür, dass Camerons Strategie darauf beruht, nicht seinem Volk, sondern den unsicheren Kantonisten innerhalb der Konservativen die Folterwerkzeuge zu zeigen. Außerdem müssen diese ihm erst einmal die Wiederwahl sichern, ob sie wollen oder nicht.
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