Westfalen-Blatt: Das WESTFALEN-BLATT (Bielefeld) zur US-Datenaffäre
Bielefeld (ots)
Wenn Einsicht der erste Schritt zur Besserung ist, dann hätte gestern ein guter Tag für Peer Steinbrück und die SPD werden können. Doch »hätte, hätte, Fahrradkette...« sagt der Kanzlerkandidat ja selbst, und alles bleibt wie es ist. Denn der Einsicht, dass die Wahlkampagne der SPD so gar nicht läuft, folgte bloß die Entlassung des Steinbrück-Sprechers Michael Donnermeyer. Was im politischen Berlin und für Medienleute ein Paukenschlag sein mag, wird Ottonormalbürger kaum vom Hocker reißen. Wer's überhaupt registriert, ordnet den Rauswurf mit Bauernopfer treffend ein. Und für viele Wähler dürfte das Ganze nur noch eine neue Folge der Serie »Pleiten, Peer und Pannen« sein. Dabei stimmt es schon: Donnermeyer konnte seinen Chef nie ins richtige Licht rücken. Die Frage ist nur, ob das nicht viel mehr an Steinbrück als an seinem Sprecher lag. Dessen Abgang markiert einen Tiefpunkt in einer Kampagne, die für die SPD zum Fiasko zu werden droht. Denn auch Donnermeyer-Nachfolger Rolf Kleine wird nicht kaschieren können, was eh jeder weiß: Spitzenmann und Programm passen einfach nicht zusammen. Peer Steinbrück muss man ob seiner Art nicht mögen, seine inhaltlichen Verrenkungen als Kandidat aber nimmt ihm keiner ab. Ganz zu schweigen vom Flurschaden, den Parteichef Sigmar Gabriel zusätzlich anrichtet. So ist nicht alles, aber zu viel von dem, was die Sozialdemokraten versucht haben, schief gegangen. Zuletzt entpuppte sich die häppchenweise Präsentation des Kompetenzteams als Rohrkrepierer. Was als spannungsfördernd gedacht war, wollte bald keiner mehr hören und sehen. Das gilt auch für die drei gestern in die Runde geworfenen Namen. Was aber ist noch drin für die SPD in den gut 100 Tagen bis zum 22. September? Schwer zu sagen - zu flüchtig ist Wählers Wille. Zu unkalkulierbar, welche Parteien ins Parlament kommen und welche Bündnisse dann rechnerisch möglich sind. Da kann aus einem Sieger noch schnell ein Verlierer werden - und umgekehrt. Doch ungeachtet dieser Koalitionsarithmetik muss die Verzweiflung der SPD groß sein, wenn ein Sprecher, der eben noch die Interessen einer Immobilienfirma vertrat, nun den Erfinder der Mietpreisbremse entscheidend nach vorn bringen soll. Apropos Mietpreisbremse: Steinbrücks größtes Problem ist und bleibt wohl die Kanzlerin selbst. Erst recht, seit sich Angela Merkel traut, ihrem Herausforderer auch noch das letzte Thema zu entreißen, um dann auf offener Bühne und ohne Skrupel mit diesem Ideenklau zu kokettieren. Zum Aufgeben ist es zu früh für die SPD - auch wenn es mancher lieber heute als morgen hinter sich hätte. Und für eine echte Kehrtwende - mit einem anderen Spitzenkandidaten - ist es längst zu spät. Bleibt nur die Hoffnung auf den einen großen Fehler der Anderen. Angela Merkel wird ihn nicht machen, das darf als sicher gelten. Und so ist Thomas de Maizière fast schon so etwas wie der letzte Trumpf der SPD.
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