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Westfalen-Blatt: Das WESTFALEN-BLATT (Bielefeld) zu Siemens

Bielefeld (ots)

Nun, da er gehen muss, gibt es plötzlich tausend Gründe, warum Peter Löscher doch nicht der Richtige an der Spitze von Siemens gewesen ist. Er lasse beim Umbau des größten deutschen Elektronikkonzerns Zukunftsperspektiven vermissen. Er wälze zwar viele Zahlen, um den Schrumpfkurs zu begründen. Aber er entwickle keine Vision. Er spreche nicht die Sprache der 370 000 Siemensianer, sei humorlos, förmlich und hölzern. Und er sei zu wenig mit anderen verdrahtet, habe keine Seilschaften. Daran ist manches richtig. Aber genau aus dem Grund hat Aufsichtsratschef Gerhard Cromme doch den Österreicher 2007 geholt: Er sollte der neue Besen sein, der mit den Korruptions- und Schmiergeldaffären aufräumt. Das tat Löscher. Und er sollte dem Giganten eine schlanke Struktur geben. Auch in der Hinsicht hat er einiges verändert. Doch die negativen Überschriften blieben vorherrschend. Immer wieder gab es Schlagzeilen über großen Personalabbau. Über den Zickzackkurs des einstigen Atomkonzerns in der Energiefrage. Über technische Mängel und Lieferproblemen etwa bei Zügen. Über teure Firmenkäufe. Über den holprigen Verkauf der Lichtsparte Osram. Und - zuletzt ausschlaggebend - über Gewinnprognosen, die nicht eingehalten werden. Wohl hatten Löschers Vorgänger Heinrich von Pierer und Klaus Kleinfeld, der den Verkauf mit anschließender Liquidation der einst blühenden Mobilfunksparte an BenQ zu verantworten hat, größere Entertainment-Qualitäten. Das gilt erst recht für den Nachfolger Joe Kaeser. Der Finanzmann, der eigentlich Josef Käser heißt, stahl seinem bisherigen Chef schon in der Vergangenheit oft die Show, etwa wenn er vor einer Hauptversammlung seinen Oberlippenbart rasierte, um zu zeigen, dass nun neue Zeiten bei Siemens anbrechen. Zu denen, die Löscher nicht trotz, sondern wegen seiner fehlenden Entertainer-Qualitäten schätzt, gehört Bundeskanzlerin Angela Merkel. Der Siemens-Chef ist einer von ihren engsten Beratern. Man tut Kaeser dennoch Unrecht, wenn man ihn nur als »Showman« abqualifiziert. Wer einen Giganten wie Siemens in die Zukunft führen will, braucht auch kommunikative Fähigkeiten. Die Mitarbeiter, Aktionäre, Lieferanten und Kunden wollen wissen, warum Bewährtes aufgegeben wird. Im Interesse der deutschen Wirtschaft ist zu hoffen, dass der neue Konzernchef diese charismatische Fähigkeit besitzt. Am Ende geht Peter Löscher, bevor er angekommen ist. Seit dem Amtsantritt vor sechs Jahren ist er mit Siemens nicht warm geworden. Er blieb, als was er kam: der erste Chef, der nicht im Konzern groß geworden ist. Doch warum wurde sein Vertrag noch 2011 vorzeitig verlängert? Eine Antwort darf man nicht nur von Aufsichtsratschef Gerhard Cromme erwarten, sondern auch von den Vertretern der Arbeitnehmer, darunter dem Chef der mächtigen IG Metall, Berthold Huber. Cromme aber wird nach seinem Aus bei Thyssen Krupp auch den Vorsitz im Siemens-Aufsichtsrat räumen müssen - schon aus Gründen der Glaubwürdigkeit.

Pressekontakt:

Westfalen-Blatt
Nachrichtenleiter
Andreas Kolesch
Telefon: 0521 - 585261

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