Westfalen-Blatt: Das WESTFALEN-BLATT (Bielefeld) zum Bündnis für Kinder
Bielefeld (ots)
Die Bundeskanzlerin stellte jüngst fest: Deutschland muss kinderfreundlicher werden. Neu an dieser Feststellung ist allerdings nur das Datum. Während ihr christdemokratischer Vorgänger Helmut Kohl diesen Spruch meist in die Regierungserklärung packte und die Parteikollegen ihn gelegentlich sonntags über die Lippen brachten, findet Angela Merkel nach acht Jahren Regierungszeit zu dieser Erkenntnis. Und sie will der alten Erkenntnis nun Taten folgen lassen: Ein Bündnis für Kinder soll es richten. Man weiß nicht so recht, wie man das verstehen soll. Ist das guter Wille nach einer späten Erkenntnis oder eine Drohung? Käme der Vorschlag von Rot-Grün, wäre die Sache klar. Dann ließe sich das Bündnis für Kinder im Sinne von Mark Twains Definition der Erziehung interpretieren, nämlich als »organisierte Form der Verteidigung der Erwachsenen gegen die Kinder« oder gegen die Familie schlechthin. SPD und Grüne haben immer versucht, die Familie in ihre Einzelteile zu zerlegen, damit Vater Staat im Verbund mit der Wirtschaftsfunktionärselite die Einzelteile besser manipulieren und in Funktion der Produktion setzen kann. Leider hat sich die CDU diesem Trend in der Regierungszeit von Angela Merkel angeschlossen. Die mit Verbissenheit geführten Debatten im »Krippenkrieg« und die Streichungen familienwirksamer Leistungen in der Großen Koalition sind dafür ein trauriger Beleg. Jetzt wundert man sich, dass die potentiellen Eltern nicht freiwillig arm werden wollen. Es ist der CSU zu verdanken, dass mit dem Betreuungsgeld im letzten Jahr eine Trendwende eingeleitet wurde zurück zu mehr Gerechtigkeit für die Familie. Nur in diesem Sinn ergibt ein Bündnis für Kinder Sinn. Wenn die Erziehungsleistung der Eltern von der Politik stärker anerkannt wird, profitieren die Kinder am meisten davon. Denn immer noch ist es in diesem Land so, dass die ganz überwiegende Zahl der Eltern ihre Kinder lieben, für sie auch das Risiko des Wohlstandsverlusts eingehen und die Verachtung vieler Politiker und Medienleute ertragen. In diesem Sinn gehört das Thema Kinderfreundlichkeit auch in den Wahlkampf. Kinder nur unter dem Gesichtspunkt von Bildung und Betreuung zu sehen, ist der Blick der Erwachsenenwelt. Eine Studie der British-American-Tobacco-Stiftung über die schwindende Freizeit der Kinder belegt, woher der Druck kommt. Es ist der Versuch, den Effizienzkult vom Büro auf das Zuhause zu übertragen, wie die Soziologin Arlie Russel Hochschild in ihrem Buch »Keine Zeit« beobachtet. Und auch Begriffe wie »quality time«, die Politiker wie Ursula von der Leyen und Peer Steinbrück gern im Munde führen, verraten diesen Kult der Effizienz im Dienste der Produktion. Kinder aber brauchen Liebe und das heißt auch Zeit. Diese Zeit den Eltern zu verschaffen, in Form von guten Scheinen und nicht Gutscheinen oder auch durch mehr Flexibilität in der Arbeitswelt, das wäre kinderfreundliche Politik. Und sicher ein Bündnis wert.
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