Westfalen-Blatt: das Westfalen-Blatt (Bielefeld) zum Fall Maria
Bielefeld (ots)
Organisierter Kinderhandel, illegale Adoptionen, Erschleichung von Kindergeld - Ermittlungsbehörden und Anwälte in Griechenland werfen mit Begriffen dieser Art um sich, als ob es sich dabei um sportliche Veranstaltungen oder Auslagen in einem Supermarkt handelt. Stattdessen aber geht es hier um das Schicksal eines Kindes. Mindestens eines. Denn glaubt man den Äußerungen, scheint es ja zumindest in diesem Teil Europas durchaus üblich zu sein, dass Babys zur Handelsware verkommen. Wenn das so ist und die Erkenntnisse der Hilfsorganisation »Das Lächeln des Kindes« hinsichtlich eines florierenden Kinderhändlerrings zwischen Bulgarien, Rumänien, Albanien und Griechenland zutreffen, dann hat die Polizei auf ganzer Linie versagt. Weshalb wird erst jetzt Hilfe bei der international operierenden Organisation Interpol gesucht? Haben die griechischen Behörden nicht auf die Warnungen der Kinderschützer gehört? Oder musste es erst zu einem solchen Präzedenzfall kommen, damit endlich eingegriffen wird? Viele Fragen, die sich so schnell nicht beantworten lassen. Zudem sind sie für das weitere Schicksal des Mädchens, das auf den Namen Maria hört, auch nicht wirklich entscheidend. Für die Kleine, deren Alter sich bisher noch immer nicht konkret bestimmen lässt, kommt es nun darauf an, in ein behütetes und liebevolles Umfeld zu gelangen. Die Aussagen des Roma-Paares, bei dem das Mädchen zufällig entdeckt wurde, sind jedoch so widersprüchlich, dass kaum zu hoffen ist, die leiblichen Eltern des Kindes schnell zu finden. Also wird Maria die Roma-Siedlung wahrscheinlich längerfristig gegen ein Kinderheim eintauschen. Das sind keinesfalls rosige Zukunftsaussichten. Und selbst wenn die leiblichen Eltern ermittelt werden, wird die Annäherung nach vielen Jahren nicht einfach sein. Sollte sie denn überhaupt gewollt sein. Schließlich besteht ja auch die Möglichkeit, dass das Mädchen als Baby an das Roma-Paar verkauft oder einfach so weggeben wurde. Dessen ungeachtet hat der Fall der kleinen Maria bei aller Tragik und Dramatik auch eine gute Seite. Er zeigt, dass Eltern, deren Kindern verschwunden sind, ihre Hoffnung auf ein Wiedersehen nicht aufgeben sollten. So, wie es seit inzwischen mehr als sechs Jahren Kate und Gerry McCann tun. Sie haben bis heute nicht nachgelassen, nach der im Mai 2007 in Portugal verschwundenen Maddie zu forschen. Der Glaube daran, dass ihre Tochter noch lebt, hat ihnen immer wieder Stärke auch gegeben, mit ihren beiden anderen Kindern positiv in die Zukunft zu blicken. Der dünne Strohhalm, an den sich die McCanns wie viele andere Familien in ähnlichen Situationen klammern, ist nach dem Auffinden des Kindes in Griechenland zumindest ein wenig dicker geworden. Zu viel Hoffnung sollten sie aber nicht darauf setzen. Die Entdeckung Marias ist und bleibt ein Einzelfall.
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